: Zombies in Schokoladensoße
■ George A. Romeros Kultklassiker „Night of the living Dead“ um 23.15 Uhr im Super Channel
Von Manfred Riepe
An einem normalen Werktag im Jahr 1984 schockte die Jugendsendung Klons das ahnungslose Tagesschau -Publikum mit harten Horrorfilm-Ausschnitten. Die Moderatorin der Sendung, eine „mehrfach gescheiterte, mäßig originelle Sängerin namens Miko“, so Diedrich Diedrichsen hinterher in 'Konkret‘, beschimpfte geladene Gäste als „krank“, die sich freimütig zu Hackebeil- und Motorsägen -Epen bekannten und von „Provokation und Radikalität so weit entfernt aussahen wie your average Fililalleiter in spe“. Ein keifender Proteststurm durchfuhr den Blätterwald. Fachorgane wie 'Medium‘ und 'Medium Praktisch‘ warteten mit Studien zum Thema auf, deren psychologisches Niveau Thorwald Detlefsons „Krankheit als Weg“ noch unterbot. Eine moralische Seuche hatte unsere Jugend in einen morbiden Blutrausch gestürzt.
Seitdem wurde zwar die Berliner Mauer geöffnet, doch was den modernen Horrorfilm anbelangt, herrscht nach wie vor filmästhetische Apartheit. Die Bedeutung eines Streifens, der die Verletzbarkeit des Körpers detailverliebt zur Schau stellt, gibt „vegetarischen“ Cineasten noch immer Rätsel auf. Dabei fing alles ganz harmlos an. Der 1940 geborene, in der Bronx aufgewachsene Italoamerikaner George A.Romero war gerade 14, als er sich vom Onkel die Schmalfilmkamera borgte und von den Cops verhaftet wurde, weil er bei der Realisierung seines ersten Films The Man from the Meteor brennende Puppen von Häuserdächern stürzte. George M., der Vater des cinephilen Jungen, stellte u.a. Werbeflaggen für Kinos her, und wenn George A. seinen Eltern versicherte, er ginge zum High-School-Ball, sah er sich in Wahrheit The Man who never was im Kino an, zweimal hintereinander.
Nach einem Ferienjob als Grip-Boy bei Hitchcocks North by Northwest schwand die Kinobegeisterung zunächst beträchtlich. Auch sein Kunststudium mußte George A., der sich mittlerweile einen Ruf als Zeichner erworben hatte, zwangsweise abbrechen, weil er beim Aktzeichnen lieber neue Ben-Hur-Plakate entwarf. Auf der Kunstschule hatte er jedoch ein paar Cineasten-Freunde gewonnen, mit denen er in die Warhol-Geburtsstadt Pittsburgh zog, um mit dem unvollendeten 16-Millimeter-Projekt Expostulation Erfahrungen zu sammeln.
Einige lukrative Werbeaufträge für die mit Russ Streiner gegründete Firma „Latent Image“ brachten schließlich Geld für den Kauf einer 35-Millimeter-Kamera ein. Jeder der inzwischen zehn Mitarbeiter der in „Image Ten“ umbenannten Firma griff mit 600 Dollar in die Tasche, so daß schließlich die ersten Meter von Night of the Living Dead nach einer Kurzgeschichte von George A. Heruntergekurbelt werde konnten.
Romero & Co waren keine ausgesprochenen Horror-Fans. Ein befreundeter Verleiher erteilte den Rat, auf jeden Fall mit einem Horrorstreifen einzusteigen, weil der zumindest die Kosten wieder einspielen würde. Nach neun Monaten hatte der Film 114.000 zusammengeschnorrte Dollars gekostet und, je nach Auskunft, nach anfangs schleppender Mund-zu-Mund -Propaganda zwischen 10 und 30 Millionen eingespielt. Wovon Romero selbst aufgrund des hoffnungslos überlasteten Kleinverleihers und den etlichen Raubkopien wenig zufiel.
Romero ist heute einer der wenigen unabhängigen Filmemacher in Amerika. Seinen weltweiten Erfolg verdankt er dem Konzept, sich einerseits den Gegebenheiten des Marktes anzupassen, um dessen Genre-Gesetze andererseits durch lustvolle Übertreibung zu subvertieren. Mit einem simplen und spannend verfilmten Plot wurde Night of the Living Dead 1968 zum Prototyp des sogenannten Neuen Horrorfilms, der seinen Platz im Filmarchiv des Museum Of Modern Art zu Recht einnimmt.
Abgenudelte Werwolf- und Vampir-Mythen wurden durch die Erfahrung des Vietnamkriegs ersetzt, der als erster durch die visuellen Medien ging. Mit bizarrem Humor und auf irritierend undramatische Art präsentiert der Film eine subhumane Maschinerie von Zombies. Es herrscht tranceartige Bürgerkriegsstimmung. Brave Familienväter holen die Gewehre aus dem Schrank, bilden Bürgerwehren und gehen auf Treibjagd, als ob sie auf nichts anderes gewartet hätten. Zwar bot der Western bislang ähnlich viele Tote. Doch dort fiel der Indianer nur vom Pferd und nicht gleich auseinander. Das soziale Verhalten der Akteure in Night... reduziert sich auf ein Zweckbündnis, der moralische Kodex auf den puren Überlebenskampf, und zu allem Überfluß ist der positive Held auch noch ein Farbiger.
Der Film wird von einem düsteren Grundton getragen, der durch kontraststarke S/W-Bilder noch verstärkt wird. Nachteile des Schnürsenkelbudgets wurden nach Möglichkeit zum Vorteil gewendet. So ziemlich jeder Spaziergänger, der am Set vorbeikam, wurde als fahlweißer Zombie geschminkt und mit pechschwarzem Blut durchtränkt, wofür Schokoladensoße verwendet wurde. Wenn einer der Produzenten, ein Metzger, mit dem Eimer voll Gedärme auftauchte, mußte unter den Statisten gelost werden. Die relativ ungekürzte O-Fassung sollte man sich nicht entgehen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen