SHORT STORIES FROM AMERICA

VON MARCIA PALLY

Die Untersuchungen der unsauberen Geschäftspraktiken des Präsidentensohns Neil und Chefs der Silverado Savings and Loan haben mich über Männer, Frauen und Geraldine Ferraro nachgrübeln lassen. Dabei bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß Frauen wohl doch intelligenter sind als Männer.

Denn nicht eine Sekunde lang können wir uns vorstellen, daß Bush-Vater auch nur das geringste Bißchen über die Geschäfte seines Sohnes wußte. Ein anderer Fall: Als am Ende von Reagans Amtszeit die Schiebereien im Department of Housing and Urban Development ruchbar wurden, fragten sich 210 Millionen Amerikaner: Woher sollte Reagan das wissen? Oder die Herren Poindexter und North, die sich Reisen im Millionenwert ausgedacht hatten. Jules Verne hätte sie darum beneidet. Wir schlossen daraus, daß der Präsident keine Ahnung davon hatte. Die Stadtverwaltung unter New Yorks früherem Bürgermeister Ed Koch wurde durch epidemischen Diebstahl ausgeblutet, und doch nahmen die abgebrühtesten unter Amerikas Wählern Wahl für Wahl neu an, daß Koch nichts davon mitgekriegt haben konnte.

Aber bei Frau Ferraro vermuten wir, daß sie jedes Detail von den Geschäften ihres Mannes kannte, und die Unterstellung, daß sie als Ehefrau an den Schwindeleien ihres Gatten beteiligt sein könnte, kostete sie ihre Vize -Präsidentschaft. Mir leuchtet das ein. Wir alle wissen, daß die Männer ohne ihre Frauen nicht mal ihr Zahnbürste wiederfinden würden. Auf Frauen ist also mehr Verlaß. Ich wollte Benazir Bhutto schon einen Brief darüber schreiben. Aber sie scheint es schon zu wissen.

Diese Sache mit Neil, George, Ronny und Ed hat mich dazu gebracht, die amerikanische Männerherrschaft neu zu hinterfragen. Immerhin zeigt das Lächeln der Kongreßabgeordneten Pat Schroeder ganz klar, daß sie weiß, wo ihre Zahnbürste ist. Aber haben wir unsere Steuern wirklich richtig investiert, wenn der von Bush ernannte Generalstaatsanwalt Dick Thornburgh dreißig Tage braucht, um seine Unbefangenheit als Leiter des Neil-Bush -Untersuchungsausschusses zu prüfen? Sollen wir einem Kongreß wirklich trauen, der Thornburgh einen Monat Zeit gibt, um das herauszufinden?

Mir sind noch ein paar andere Gipfelleistungen der Kompetenz aufgefallen. Während Neil Bush mit seinen Silverado Savings and Loan rauschende Feste feierte, konnten allein 1989 noch zwanzig weitere US-Sparkassen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Die Zahl der Entwicklungsländer, die im selben Jahr ihre Schulden bei der Weltbank nicht begleichen konnten, liegt bei neun. Ein anderer Fall ist das Bureau of Land Managment in Tulsa, Oklahoma, das es nicht fertigbrachte, das FBI von einem Öl -Diebstahl von Indianerland zu informieren. Man habe die Telefonnummer des FBI nicht finden können, so die Zeugenaussage vor dem Senatsausschuß.

„Ich würde uns als eine Friedenstruppe mit M16-Kanonen bezeichnen“, erzählte neulich Major Bill Chadwick der Presse. Chadwick ist der Kommandant einer neuen Einheit zur Aufstandsbekämpfung. Ich bin sicher, daß das folgende Beispiel nichts über die Urteilskraft unserer politischen Führer aussagt, aber... äh... vor kurzem bekam Captain Will Rogers vom US-Schlachtschiff Vincennes den Regierungsorden „Legion of Merit“ für den Abschuß eines iranischen Passagierflugzeugs und die Tötung der 290 Insassen.

Natürlich, der Verlust der Roten Gefahr hat den Militärs in letzter Zeit ziemlich viel Streß bereitet. Vielleicht ist es darum ein bißchen pedantisch von mir, wenn ich mich frage, ob man die Armeeprojekte fürs nächste Jahr wirklich vernünftig nennen kann: Geplant ist eine Art permanenter Pseudo-Sowjetarmee, die durch die deutschen Lande schweift und mit den amerikanischen Soldaten Krieg spielt. Ist das ein Grund, unser Vertrauen in den militärischen Verstand aufzugeben?

Kürzlich habe ich gelesen, daß die USA die höchste Mordrate unter den industrialisierten Nationen aufweist - 22 Morde auf 100.000 Männer im Alter von 15 bis 24, verglichen mit einem Mord auf 100.000 in Deutschland. (Die zweithöchste Mordrate hat Schottland, sie beträgt ein Viertel der amerikanischen.) Die militärischen Kriegsspiele und Orden für Helden wie Captain Rogers haben bestimmt nichts mit dem Stellenwert der Gewalt bei uns zu tun, aber es kann nicht schaden, die Rollenvorbilder der Nation ab und zu unter die Lupe zu nehmen.

Apropos Rollenvorbilder: Mitte Juli startete die Federal Communications Commission (FCC) eine Kampagne, um „offensive“ Radio- und TV-Programme für die Dauer von 24Stunden am Tag zu verbieten, so daß den jungen Menschen nur noch die besten Rollenvorbilder geboten werden. Als „offensives“ Material gilt etwa die bildliche Darstellung sexueller Aktivitäten und Organe, die zur Zeit von 6 Uhr morgens bis 20 Uhr verboten ist, wenn Kinder vor dem Fernseher sitzen könnten. Vor ein paar Monaten hat die FCC zum Beispiel einen satirischen feministischen Song mit dem Titel Penisneid als unanständig eingestuft. Auf das Argument, daß manche Erwachsene vielleicht nicht immer nur Sendungen sehen wollen, die auf ihre Eignung für Kinder geprüft sind, erwiderte die FCC, daß die Sender durchaus auch andere Sendungen ins Programm nehmen dürfen - sie müßten nur beweisen, daß kein Kind unter 18 eingeschaltet ist. Das ist die Art Logik und Konsequenz, die dieses Land zu dem gemacht hat, was es ist.

Als einen weiteren Markstein politischer Vernunft bewundere ich die Tatsache, daß eine Aids-Aufklärungsbroschüre zwei Jahre lang in verschiedenen Regierungsstellen auf Eis gelegt war, weil die zuständige Person im Gesundheitsministerium, ein früherer Pressesprecher im Nationalverband der Abtreibungsgegner, sich nicht dazu durchringen konnte, Kondome zu empfehlen. Auf meiner Liste befindet sich ferner die folgende Antwort aus dem Büro des Senators Orin Hatch (Republikaner, Utah) auf einen Brief, der behauptete, daß die Räume dieses Büros in Flammen stehen: „Vielen Dank für Ihr Schreiben. Ich kann Ihnen versichern, daß wir es mit Interesse zur Kenntnis genommen haben.“

Letzte Bemerkung: Die vielen Amerikaner, die glauben, daß das Verbrennen des Sternenbanners als Ausdruck der Meinungsfreiheit verboten gehört, dürfen sich bestärkt fühlen. Sie können jetzt auf andere Regierungen verweisen, die das Verbrennen ihrer Flagge durch Gesetze unterbunden haben - wie zum Beispiel die chinesische Führung vor einem Monat. Hier dürfen wir nicht zögern. Wir brauchen ein Gesetz gegen das Verbrennen der Flagge, und zwar jetzt. Sonst kommen uns die Albaner zuvor.

Aus dem Amerikanischen von Thierry Chervel WIE DIE USA WURDEN, WAS SIE SIND