Gedenken im Herzen der Bestie

■ Gedenk- und Begegnungsstätte in der ehemaligen Stasi-Zentrale soll an die Opfer des Stalinismus erinnern

Berlin (taz) - Viel ist nicht mehr geblieben von der Trutzburgatmosphäre, die sie über Jahrzehnte hatte: die Zentrale der Staatssicherheit wirkt in der heißen Augustsonne einfach nur wie eine weitere der architektonischen Fehlleistungen der DDR. Von der einstigen Gewalt jenes von dort gezogenen Spinnennetzes zeugt nichts mehr. In der Mitte des riesigen Betonkomplexes residierte Minister Mielke, den Blick auf die Realität wirkungsvoll verbaut.

In den im spießigen Schick der 50er eingerichteten Konferenzräumen seines Arbeitsstabes (sie sollen original erhalten bleiben) stellte sich gestern eine Vereinigung wider das Vergessen vor: Die „Stiftung Antistalinistische Aktion“, hervorgegangen aus dem Bürgerkomitee zur Stasi -Auflösung, will im Bau an der Normannenstraße ein fünf Stockwerke umfassendes „Zentrum zur Sammlung, Bewahrung, Dokumentation und Begegnung“ einrichten - eine Gedenkstätte der Opfer des Stalinismus. Zu den 26 Gründungsmitgliedern zählen auch ehemalige Stasi-Leute, die sich ihrer Vergangenheit und den Opfern der Verfolgung stellen wollen. Man hat sich viel vorgenommen: Die Verflechtung von Gesellschaft und Staatssicherheit will man offenlegen, um wegzukommen von der Schwarzweißmalerei von Opfern und Tätern. „Es gibt erstaunlich viele Unschuldige in der DDR 16 Millionen nämlich“, resümiert Pfarrer Buntrock von der Vereinigung, „mehr oder weniger war jeder Opfer und auch Täter.“

Beliebt macht das nicht: „Wir kämpfen um unsere Existenz, das ist symptomatisch für das Bedürfnis, Gras über die Sache wachsen zu lassen“, so Ulrich Wiegand, Leiter der Vereinigung. Die Begegnung mit Stasi-Leuten ist für die Opfer schwer zu ertragen, doch „auch die Täter müssen davor geschützt werden, daß sie ihre Taten bis ans Lebensende verdrängen“, so Klaus Schwalm, der schon im Bürgerkomitee zur Stasi-Auflösung saß. Bestrafung ist ihm nicht so wichtig, „Begegnung muß sein“. „Sie hatten die Illusion, daß sie das Richtige machen.“

Forschungsarbeiten zum Stasi- und Stalinismus sollen hier durchgeführt werden, auch um den Weg vom Nationalsozialismus zum deutschen Stalinismus zu zeichnen. Mit Beschluß vom 16. Mai hat der Ministerrat der Gedenkstätte zugestimmt. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob dafür in Zukunft auch gezahlt wird. Einzig die PDS scheint sich in moralischer Bringschuld bislang entgegenkommend zu zeigen.

Joachim Schurig