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„Putsch“ oder „Wünsche der DDR“?

■ CDU verspricht sich Vorteile von dem vorgezogenen Wahltermin, Lafontaine sagt nein

Freitag vormittag, kurz vor zwölf, „Haus der Parlamentarier“ der Volkskammer. Im SPD-Büro klingelt das Telefon. Oskar Lafontaine, Kanzlerkandidat seiner Partei, will den Fraktionsvorsitzenden Richard Schröder sprechen. Um 11 Uhr hatte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere im Internationalen Pressezentrum mitgeteilt, daß er vorschlägt, die gesamtdeutschen Wahlen auf den 14. Oktober vorzuziehen. Damit sinken die Wahlchancen Lafontaines auf null. Schröder, berichtete de Maiziere, sei eingeweiht.

Martin Gutzeit vom Fraktionsvorstand der SPD, der Stallwache hält, muß den Anrufer aus dem Saarland enttäuschen: Schröder ist nicht da. Der Parteivorsitzende Thierse wandert in den Alpen. In die Verhandlungen um den 2. Staatsvertrag im Haus des Ministerrates platzt die Nachricht wie eine Bombe.

Die SPD-Vertreter sind empört, CDU-Staatssekretär Krause bittet um eine Unterbrechung. Bei Fraktionsvorstandsmitglied Gutzeit klingelt pausenlos das Telefon. Entgeisterte Parteifreunde und Presse rufen an. „Ich wußte nichts ... Ich habe das Viertel elf von Schröder erfahren ... Da fragt man sich, wovor da jemand Angst hat...“

Schröder, heißt es in seiner Umgebung, kann sich über die Interessen der DDR-Bevölkerung mit de Maiziere weit besser verständigen als mit Lafontaine. Wie soll man in Ost-Berlin auf die Krise spekulieren? „Es muß etwas passieren, sonst bricht hier alles zusammen.“

In Bonn waren Zustimmung und Ablehnung nach Parteiinteressen klar verteilt. Helmut Kohl: „Der Vorschlag entspricht den Wünschen in der DDR, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland.“ Kanzleramtschef Rudolf Seiters (CDU) behauptete, schon die Ankündigung baldiger Wahlen werde die Lage in der DDR positiv beeinflussen.

Für die Bonner SPD ließ Kanzlerkandidat Lafontaine allerdings ein „njet“ zur „panikartigen“ Terminverschiebung formulieren: „Grundgesetz und Mehrheitsverhältnisse stehen diesem durchschaubaren Manipulationsversuch entgegen.“

FDP-Chef Lambsdorff rieb Salz in die stets offene Wunde der SPD. Er erwarte, daß sich die Partei „nicht der schnellen deutschen Einheit entgegenstellt“. Aber selbst wenn die SPD bei der Grundgesetzänderung nicht mitziehen sollte, hat die Union noch einen Joker in der Schublade. So hieß es gestern in Fraktionskreisen, der Kanzler könne im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, bei der die Koalitionsmehrheit pro forma ihrem Führer die Gefolgschaft verweigert. Dann könnte der Bundespräsident das Parlament auflösen und für den 14.Oktober Neuwahlen festsetzen.

Für die Grünen, die den vorgezogenen Termin als „Putsch und Verfassungsbruch“ von „völlig dem Machtwahn verfallenen“ Politikern werteten, kündigte Fraktionssprecherin Antje vollmer an, ihre Partei werde auf jeden Fall vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

peb/K.W.

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