„Kein Kulturgut, das schützenswert ist“

■ Der grüne Ortsamtsleiter Mitte/Östliche Vorstadt ist gegen ein Bleiberecht für die heimatlosen Roma

Du bist wie der Innensenator für die Ausweisung der Roma, die jetzt an der Contrescarpe zelten?

Hucky Heck: Es geht doch nur scheinbar um die paar Leute. Was mich richtig ärgert, das ist die bigotte, verlogene Art von Leuten, die jetzt kommen mit ihrem humanistischen Getue, liberal bis dorthinaus, und sagen: Die sollen bleiben bis hin zu dem Argument der deutschen Schuld von damals.

Mit der hab‘ ich beim besten Willen nichts zu tun. Ich bin nicht verantwortlich dafür, daß Jesus ans Kreuz geschlagen worden ist und für die Ereignisse von 1933 bis 45 fühle ich mich auch nicht schuldig. Ich fühle mich verantwortlich für das, was heute passiert.

Wir leben in einer Situation, daß Du gar nicht mehr sagen darfst, was Realität ist. Sonst bist Du sofort ausländerfeindlich, rassistisch usw.

Was ist denn die Realität?

Nehmen wir das Übergangswohnheim in der Friesenstraße, da leben polnische Roma und Sinti. Ich habe dort massive Beschwerden und den Beginn einer Bürgerinitiative - und zwar nicht

von irgendwelchen erbosten Männern, sondern da schließen sich Frauen zusammen, die sagen, das nehmen wir so nicht mehr hin.

Was denn?

hier bitte das

Paßfoto Ortsamtsleiter Hucky Heck

Es geht damit los, daß die Gören immer auf Streifzug sind durch den Stadtteil - völlig unbeaufsichtigt - und offensichtlich ein etwas undifferenziertes Verhältnis zum Besitz anderer Leute haben. Das geht auf dem Spielplatz los, daß sie anderen auf die Glocke hauen und denen das Spielzeug klauen, die Fahrräder mitnehmen, daß sie in Geschäften

gerne mal lange Finger machen, daß sie regelmäßig erstmal alles, was brauchbar aussieht, nach Hause schleppen und es, wenn sie es nicht brauchen, bei anderen Leuten in den Vorgarten schmeißen - und zwar sackweise.

Und Du weißt genau, wer das war und wer nicht?

Na klar. Die Leute sehen doch, wer was wie macht. Es gibt eine riesen Kluft zwischen dem, was real stattfindet und dem, was man vor lauter Anspruch nicht mehr sagen darf. Und die bewirkt eine massive Ausländerfeindlichkeit.

Ausländerfeindlich sind also eigentlich diejenigen, die sich für die Roma einsetzen und nicht der Innensenator, der sie nach Jugoslawien abschieben will?

Ausländerfeindlich ist doch, wenn ich gegen Ausländer bin, weil die anders sind, weil die anders aussehen, weil die anders sprechen. Ausländerfeindlich ist nicht, wenn ich etwas benenne, was im sozialen Zusammenleben unverträglich ist.

Wenn meine Punks nachts um drei wie die blöden Musik machen und die ganze Nachbarschaft fällt

aus dem Bett, dann ist das sozial unverträglich...

...und die Punks sollten am besten nach Jugoslawien geschickt werden?

Nein, das sind ja Deutsche. Mit denen müssen wir ja klarkommen. Die Sinti und Roma sind aus Jugoslawien zu uns gekommen und haben den Antrag gestellt, hierbleiben zu können. Dieser Antrag ist nach drei Jahren in einem sehr rechtsstaatlichen Verfahren abschlägig beschieden worden. Unser Asylrecht bedeutet nicht, daß jeder, dem es auf der Welt schlecht geht, hierherkommt und bleiben soll.

Nun sagen ja die Roma, daß sie keine Jugoslawen, sondern heimatlos sind. Sie sind in Jugoslawien genauso wenig zu Hause wie hier. Aber hier haben sie jetzt drei Jahre gelebt, ihre Kinder sprechen Deutsch, gehen hier zur Schule...

Geh doch mal zu „Klick“ (Kinder- und Jugendinitiative, d. Red.) rein. Das ist direkt gegenüber vom Wohnheim Friesenstraße. Das ist eine Gruppe, die ganz bestimmt nicht kinder-, jugend-oder ausländerfeindlich ist. Die schließen ihre Ladentür ab, wenn die Truppe drüben das Haus verläßt. Warum? Weil sie wissen, wenn die einmal hier drin sind, ist der Laden leer.

Das heißt, wer hier Asylrecht haben will, der muß sich so verhalten, wie es Dir paßt?

Nein, das ist eine völlige Verdrehung.

Erstmal gibt es das rechtliche Asylverfahren. Das steht jedem offen. Aber wenn Du so ein Verfahren hast, dann muß es durchgezogen werden. Und wer dann durchfällt, der geht, egal ob er schöne braune Augen hat oder 'ne große Nase. Völlig unabhängig davon ist es ein Gastrecht, das jemand in Anspruch nimmt, der zu uns kommt. Und so hat er sich auch zu verhalten.

Jeder erwartet von mir, wenn ich in die Türkei fahre, daß ich nicht halbnackt durch die Gegend laufe, sondern die andere Kultur und die anderen Vorstellungen akzeptiere. Das ist eine Selbstverständlichkeit, unter Linken ganz besonders.

Genauso bedeutet das für die Leute, wenn sie hierher kommen, daß sie sich bis zu einem gewissen Grade einzufügen haben in das Sozialverhalten, das wir hier miteinander leben.

Zum deutschen Sozialverhalten, von dem Du sprichst, gehören heimatlose Sinti und Roma heute

doch nur deshalb nicht mehr selbstverständlich dazu, weil sie vor 50 Jahren fast restlos umgebracht worden sind. Und jetzt kommen 150 Roma und Bremen steht Kopf?

Es leben doch 7.000 Sinti und Roma in Deutschland...

Aber es waren mal 500.000...

Mir ist nicht klar, was das mit dem vorliegenden Fall zu tun hat. Es gab auch mal Saurier hier...

Also: Jeder sollte in höchstmöglichem Maß so leben können, wie es seiner Nase zuträglich ist. Wir versuchen das ja auch in einem ganz erheblichen Maß in diesem Land zu gewährleisten. Und ich denke auch, daß wir die Türken, die in Deutschland geblieben sind, so leben lassen sollen, wie sie Lust haben.

Was ich aber nicht in Ordnung finde, ist, daß die ganzen jungen Türken mit ihrem Chauvi- und Mackergetue in deutschen Diskotheken sich deutschen Frauen gegenüber verhalten, wie sie es von zu Hause immer noch wissen. Das ist für mich kein Kulturgut, das schützenswert ist.

Und wer entscheidet das?

Das entscheidet die Gesellschaft.

Und konkret?

Du mußt, wenn Du in Verantwortung stehst, sehr genau versuchen zu werten: Was sind berechtigte, was sind unberechtigte Beschwerden. Und es gibt jede Menge unberechtigte Beschwerden. Aber es gibt auch berechtigte Beschwerden. Jeder Mensch hat zum Beispiel das Recht auf seine Nachtruhe.

Und wer die nicht achtet, fliegt aus dem Land raus?

Wir reden aneinander vorbei. Was mich wirklich ankotzt ist die Linke, die immer ihre großen Fahnen rausholt und sich für Ungerechtigkeiten von vor 45 Jahren einsetzt, statt die Verantwortlichkeiten heute zu begreifen: Deutschland als größten Waffenexporteur in Europa. Mit diesen Waffen werden dauernd Leute gefoltert, umgebracht usw. Wo ist denn da unsere Linke. Aber dann sitzen mal 45 Leute beim Innensenator vor der Tür, und dann hat man was, wo man seine ganze Humanität und Liberalität rauslassen kann.

Fragen: Dirk Asendorpf