Deutsche Mädels untenrum: Ein Systemvergleich

■ Eine kleine postmurale sexuelle Zeitschriftenschau nebst Ost-West-Systemvergleich

„Kann dir sagen, will dir ja bloß sagen, Bilder ankieken ist nichts. Davon kann ich dir 'n Lied singen. Das verdirbt einen Mann, jawoll, das verpfuscht dich. Mit Bilderankieken fängst es an, und nachher, wenn du willst, dann stehst du da, dann geht nichts mehr auf natürliche Art und Weise.“ (Alfred Döblin,„Berlin Alexanderplatz“)

Wenn der Krieg gewonnen ist, pflegen sich die siegreichen Männer auf die Frauen der Unterlegenen zu stürzen. Die gibt's in Hochglanzphotos seit kurzem im „DDR-Intim“ Magazin zu besichtigen. Mit Adressen, wo man Ostfrauen am besten abschleppen kann!!! „Wollt Ihr die totale Lust“, fragte der 'Wiener‘ in Anlehnung an das bekannte Goebbelszitat im November letzten Jahres und präsentierte zur Illustration nackte „Zonies“. DDR-„Sex hat Weltniveau“, und „die emanzipierten Ost-Mädchen haben keine Orgasmusprobleme“, schrieb das wohlstandsrassistische Monatsblättchen ein halbes Jahr später. Doch leider, so ergänzt das verantwortliche Arschlochparty-des-Jahres-Autorenteam, geben Ostfrauen „in der Liebe den Ton an“, und „die Herren der Schöpfung“ sind „dementsprechend gehandicapt“.

Gemeinerweise merkt das der siegreiche Westsoldat erst, wenn er sie „flachgelegt hat“. Seine Dominanz ist nicht gewährleistet, oder vielleicht läßt sich die ehemalige Kommunistenbraut auch nicht sofort in den Arsch ficken; jedenfalls geht es in der Ost-„Kiste“ „eher bodenständig als phantasievoll zu.“ Der Europa durchstreifende Yuppieficker sollte also doch lieber nach Thailand fliegen (s. taz vom 27.7.) oder sich's im Westen phantasievoll von „ordinären dicken Schwanz-Dominas“, von „männl. Musterungskommissionen“, von „Offizieren“, „Liebhabern der französischen Zunge“, von „versauten Masostuten“, von „dicken Masos mit fetten Titten“ besorgen lassen, „die es verstehen, aus einem Gefangenen durch stundenlanges Fesseln, Mißbrauchen und Vergewaltigen einen willigen Sklaven zu machen.“ Der Westen regrediert äußerst kreativ: „Schwanz-, Eier-, und Tittentrimm, Wachs, Dildos, Katheter, FF, Tiefenforschung, Elektrofolter, sehr viel PP“ und „gelb -braune Köstlichkeiten“ sind angesagt. Und „wenn du nicht gehorchst, gibt's was auf den Po!“ ('Zitty‘, 16, '90, Rubrik „Harte Welle“)

Und wer den West-Schwanz im Mund als Fortschritt begreift, hat gefälligst das Maul zu halten; darüber sind sich West -Männer und Frauen seltsam einig: In der Juni-„Miss Vogue“ wird, wahrscheinlich wegen Sommer, der Seitensprung als gesündester Sport empfohlen. Die kleine Miss, die ihn unternimmt, soll aber um Himmels willen nicht darüber sprechen. Selbst nicht mit ihrer besten Freundin. Ihren Mund soll sie stattdessen zum „Küssen, Knabbern, Saugen“ benutzen. Und „Mentos sagt: Lutsch mich, beiß mich, kau mich!“ Denn „wer schneller schiebt und schneller leckt hat's Ed v. Schleck auch schneller weg“.

Wer? - Die „extrem aufgeschlossene Frau“, also die Postemanzipierte. Im Berliner 'Prinz‘ schreibt Achim Schwarze in Sachen Anrufbeantworter: „Die extrem aufgeschlossene Frau läßt eine Männerstimme sagen: 'Hier ist der Anschluß von Ingrid. Sie kann im Moment leider nicht sprechen, ihr Mund ist besetzt.'“ Und im yuppiebunten 'Coup‘ nachzulesen: „Geishas erlernen schon als kleines Mädchen, ein zusammengerolltes Präservativ in den Mund zu nehmen und dem Partner mit den Lippen überzustreifen. 'Coup‘ setzt 2.500,- Prämie für das erste deutsche Mädel aus, der dies vor der Kamera unseres Fotografen - nachzumachen gelingt.“ Frauenverachtung und Fickfaschismus und ein bißchen real existierender Kapitalismus? Im Westen geht es wie gehabt um die Verleugnung oder Zerstörung weiblicher Sexualität. Das Geschlecht, das keines ist und sich damit abzufinden hat, die Möse also wird zerstört oder tabuisiert, während im Hardcoreporno der Schwanz durch seine härteren Symbole Flaschen etc. - ersetzt wird oder als debiler „Hugo“ im Nachtstandbildprogramm von Radio 100,6 auftaucht. Lustig, daß sich das selbst auf den Wiesen und Stränden des westlichen Sommers zeigt oder verbirgt: von achtzig Menschen sind ungefähr dreißig Männer und 10 Frauen ganz nackt; 15 Frauen liegen oben ohne rum; der Rest ist ordentlich bekleidet. Der sogenannte intellektuelle Diskurs ist spätestens seit Roland Barthes‘ „Fragmente einer Sprache der Liebe“ äußerst wohlerzogen und artig. Viel ist die Rede von ausgelutschten Dialektiken aus Verführen, Verstecken, Zeigen etc. Wo das Geschlecht keines ist, sind Oral- und Analsex angesagt. Und die Ostlerinnen sollen sich gefälligst, so will es der 'Wiener‘ ein Beispiel an den Türkinnen nehmen. „Sextypus: Schleckermäuler“, „Oral- und Analsex“ finden die Orientalinnen meistens „sehr erregend.“

In einer Kreuzberger Bar besteht der „Oralsexcocktail“: aus Wodka, Creme de Cacao, Sahne und Muskat, und kostet 6,50 DM. In Alternativkneipen im Osten wird für Filme, die „Fessle mich“ oder „Domina“ heißen, selbstbewußt Reklame gemacht.

Der Ostsex ist hoffnungslos „hausbacken“, genital oder auf sekundäre Geschlechtsmerkmale fixiert. In Friedrichstadtpalast, Spree-, und anderen erotischen Kabaretts („Lachsack“ etc.), im Beiprogramm irgendwelcher S -8-Festivals, an jedem Müggelseestrand sowieso (da scheint Ausziehen unterschiedslos Pflicht zu sein) kann man brav Busen gucken. Am Kneipen-Nebentisch ereifern sich noch ein paar Theaterleute, daß das Betriebstheater Neubrandenburg nicht mehr Brecht zeigt, sondern 16jährige Stripperinnen.

Der Propagandasieg des Kapitals wird sowohl im Osten als auch im Westen gefeiert. An den Ost-Kiosken hat sich die Zahl der westlichen „Busen-“, „Po-“ und sonstigen Magazine vervielfacht. Bei meiner letzten Recherche im „Euromarkt“ habe ich 41 Magazin-Titel gezählt.

Nachdem rausgekommen war, daß der Ostler potenter ist als der Westler und Ostfrauen auch noch doppelt so viele Orgasmen kriegen, wurden diese Untersuchungsergebnisse zunächst als „Propagandalüge der PDS“ ('BILD‘) denunziert, und wissenschaftlich korrekt wurde in Westmedien korrigiert. Vier Ostfrauen in der 'BILD-Zeitung‘ gaben sich ahnungslos: „Orgasmus? - Nie gehört von“ (neumodischer Tüdelkram). Im NDR-Fernsehen wurden die Untersuchungsergebnisse von westlichen Soziologenpeinsäcken als „wissenschaftlich unhaltbar“ entlarvt, und seit Maueröffnung werden die Ostmänner sowieso erstmal auf Bildersex konditioniert. Hauptsache es spritzt.

Auch die „Jugendmagazine“ haben auf die veränderte Lage reagiert: Weil sie vermehrt von DDR-Männern gekauft werden, denen 'Playboy‘, 'Penthouse‘, 'Lui‘ etc. zu teuer sind, gibt es im Innern von 'Bravo‘ jetzt regelmäßig Erotikposter. Fortgeschrittene Westmänner halten sich jedoch lieber an die amerikanische Ausgabe des 'Hustler‘. Da kann man sich an Frauen freuen, die ihre Schamlippen miteinander verknoten.

Der Osten dagegen: Eine lächelnde Atombusenfrau ist am 27. Juli ins Emblem der 'Jungen Welt‘ gerutscht, und zwei schöne Brüste, selbstbewußt, von unten herrisch photografiert, machten eine Zeitlang für das sozialistisch trauernde 'blatt‘ Reklame. Um dem Sog, der von West-Hochglanzblättern ausging, um Rowohlts Softpornoreihe zu trotzen, um 'Bravo‘, 'Girl‘ und 'Mädchen‘ zu begegnen, brachte man Anfang des Jahres neben nackten Schönen, glänzend oder romantisch mit Weichzeichner, ein paar „frivole“ Zeichnungen. In der Rubrik „Liebe und Leben“ wurde „erstmalig in der DDR“ eine „Stelle“ aus Henry Millers Sexus veröffentlicht; im redaktionellen Teil stand, unter dem Titel „zu schön, um moralisch zu sein“, eine Reportage über Prostitution in Amsterdam; ein deutliches Interview mit Beate Uhse fand sich. Ganz frech wollte der Reporter wissen, welche Produkte die 70jährige Flensburgerin am liebsten selbst benutze. Und es wurde engagiert über den Orgasmusunterschied zwischen DDR und BRD berichtet. Doch plötzlich schien dies alles, die ganze neue Offenheit, vorbei: die Rubrik „Liebe und Leben“ fehlt in der Ausgabe vom 21. Juni. Nirgends warb mehr das blonde Mädchen mit den hübschen Brüsten. Die nackte Frau schien sich nun auf die Illustrierten zu beschränken: 'Caroline‘ warb mit Pin-ups aus der Jahrhundertwende, die 'NBI‘ titelte mit einer nackten Lederpuppe.

Hatte es neue Direktiven gegeben? Wollte man die Frauen und Männer wieder ins echte Bett bringen? Niemand weiß es. Seit dem 5. Juli jedenfalls gibt's wieder Frauen ohne was an. Und zwar reichlich: Im Sächsischen Soldatenheim in Dresden, so berichtet die Wochenzeitung, können „alle stripteasehungrigen Dresdner“ sehen, „was die Damen zu öffnen und zu zeigen haben.“ Drei Nacktphotos ohne Kopf illustrieren den Text. Und auch „Liebe und Leben“ hat sich zurückgemeldet mit einem feuchten Traum von 'Jörg Löschmann‘ (ob er wohl wirklich so heißt?), der im Schwimmbad gespannt den schmalen Badeanzugriemen beobachtete, der sich „zwischen einem Schenkel und einer Schamlippe“ der vor ihm Schwimmenden „verklemmt hatte“. Klar, daß sich beide bei zwei „Himbeer-Flips“ schnell einig werden, zumal der Held ja auch „durchtrainiert“ ist: „seine enganliegende Badehose ließ die Birnenform seines Säckchens und den in ihm eingebetteten Stengel erkennen“.

Solche unverhohlen genitalen Fixierungen werden es schwer haben im gesamtdeutschen Zeitschriftenmarkt. Zum Glück gibt's aber (s.o.) 'DDR-Intim‘, das Hochglanzmagazin aus dem Westen, das den Ostlern zeigt, wie's weiterzugehen hat. Zum Glück gibt's den neuen Fernsehsatelliten, der den westlichen Sexschwachsinn denen ins Wohnzimmer bringt, die sich die entsprechenden Antennen gekauft haben. Und Frauen, die gern Model werden wollen, müssen jetzt auch nichts mehr bezahlen, wenn sie sich für 'Berlin-Intim‘ im Sonderkanal 4 nackt ablichten lassen und zum Glück gibts republikweit jetzt auch die Videos, “...wo geile Miezen die Beine breit machen für Dich, lieber Leser, um deinen Lustprügel winseln und betteln, kniend natürlich, worauf sie dir dann Maulfotze geben und oh, und ah, deine Ficksahne spritzt ihnen in die Frisur.“ (Max Goldt). Man darf gespannt sein, ob dann auch, im Zuge der Videoaufklärung, die Kleinen kapieren, was der dicke Westmann so gern möchte: „Die Frauen essen doch immer Samen. Ist das gesund? Die essen das doch immer?“ (Frage eines 11jährigen im Sexualkundeunterricht, zit. nach Sonia Mikich, „Von Löchern und Stielen“ in Frings, Hg., 'Fleisch und Blut‘, Reinbek 1988)

Detlef Kuhlbrodt