Egotrip exzentrischer Narzißten

■ Splendid isolation im Windschatten / Deutsche Meisterschaften im Kurztriathlon auf dem Berliner Wannsee: Einziger Profi Dirk Aschmoneit wurde aus Wut nur 21. / Vorjahressieger Dirk Ullmann disqualifiziert

Wannsee. Wer ist Dirk Aschmoneit? Dem Verdacht, eben jener zu sein, sahen sich Samstag früh jene ausgesetzt, die sich blond und breitbrüstig am Strandbad Wannsee auflockerten. Denn „Mister Triathlon“, wie der erste deutsche Profi in dieser jungen Disziplin heißt, hatte seine Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften im Kurztriathlon zugesagt.

Hellhäuptig waren viele, von athletisch schöner Gestalt gar alle, die in den Spuren des gebürtigen Hildesheimers wandelten. Das Antlitz hinter ultraschnittigen Brillen versteckt, durchquerten die TeilnehmerInnen auf futuristisch anmutenden Rädern das Trainingsterrain oder hielten ihr bodygeshaptes Muskelprofil ein letztes Mal in die Sonne. Die beautiful people des Triatholn, die man zu Recht eines exzentrischen Narzißmus bezichtigt, machten sich für ihren Egotrip fertig: 1,5 Kilometer Schwimmen, 44 Kilometer Radfahren sowie 10,5 Kilometer Laufen.

Sie ließen kaum jemand an sich ran. 200 Meter Wannsee einwärts zogen sie einen langen Gischtstreifen durch das Wasser. Ihr Publikum, ebenso erfolgsorientiert und blond wie die AthletInnen, blieb an Land zurück und hatte genügend Zeit, von noch mehr Mut zur Eigeninitiative zu träumen. Nur als die SchwimmerInnen aus ihrem ersten Element stiegen, war für einen Moment echte Verbundenheit festzustellen. Da lief auch für einen Augenblick die Nummer 91, Dirk Aschmoneit, an den geduldig Wartenden vorbei. Konzentriert starrte das Kraftpaket zu Boden, als wolle er seine Schrittlänge messen.

Dann entkleidete sich Deutschlands leistungswillige Elite und entzog sich in Radmontur wieder den Blicken der andächtigen Menge. 44 Kilometer Einsamkeit folgten, denn es steht geschrieben, daß Windschattenfahren sogleich zur Disqualifikation führt. Nach anderthalb Stunden Gesamtzeit kehrten Simone Mortier (Hanau) und Ute Schäfer (Kulmbach) vom Einzelzeitfahren ins Radlager zurück - einträchtig und dennoch nur auf sich bedacht. Rasch die Laufschuhe übergestreift - und husch, weg waren sie! Die Männer wollten diese splendid isolation offensichtlich nicht länger mitmachen. Zeitgleich kam ein ganzer Pulk von mehr als einem Dutzend um die Kurve geschossen, darunter auch der führende Aschmoneit. Das Publikum reagierte erschreckt. Das Kampfgericht war fassungslos und traf sich sogleich zu einer folgenschweren Beratung. Das Vor-Urteil stand bereits fest: Wo sich soviele Trias zusammenrotten, kann es nicht mit rechten Dingen zugehen. Wer aber hatte schuld an dieser trauten Gemeinsamkeit? Die Zuschauer erfuhren es nicht. Nur die Tatsache, daß Radler disqualifiziert worden waren, drang nach außen. Also mußte man am End-Ziel abwarten, wer noch mit von der Partie war: Ausgeschlossene müssen nämlich sofort passen, wollen sie nicht eine Sperre durch den Verband riskieren.

Bei den Frauen war die Suche nach 2:14 Stunden gelaufen. Dann stand die Siegerin Simone Mortier den Journalisten Rede und Antwort. Ute Schäfer strahlte vor Glück, sie hatte den Schlußangriff der Münchnerin Mandy Dean gerade noch abwehren können. Dann kam, was kommen mußte. Nicht Dirk Aschmoneit oder sein Vereinskollege Björn Gustafsson (beide TSV Roth) überquerten nach zwei Stunden als Erste die männliche Ziellinie, sondern Oliver Graf aus Hanau. War „Mister Triathlon“ dem Streichkonzert der Juroren zum Opfer gefallen? Das nicht. Aber der große Favorit aus Roth, vor zwei Jahren immerhin Siebter beim „Ironman“ auf Hawaii, belegte überraschend nur den 21. Platz. Er hatte sich beim Radfahren so sehr über das unerlaubte Windschattenfahren böser Konkurrenten und das Nicht-Eingreifen der Streckenposten geärgert, daß er beim abschließenden Laufen nicht mehr ganz bei der Sache war. Nur 16 Starter eigentlich hätten nach dem Radfahren mehr Teilnehmer absteigen müssen - wurden wegen unkorrekter Fahrweise disqualifiziert, darunter auch Titelverteidiger Jörg Ullmann aus Darmstadt.

Schon als die Nächstplazierten Basting (Darmstadt) und Schroder (Riederau) eintrafen, sah man bei den Verbandsoberen launische Gesichter. Zuviele Hasen sind des Asses Tod, müssen sie sich gedacht haben. Doch Triathlon reift zu einer Sportart mit einer immer breiter werdenden Spitzengruppe. Paragraphen, die auf einen Alleingang eines Einzelnen zutreffen mögen, taugen nichts mehr. Der Triathlonsport, vor allem in seiner kurzen Version, hat am Wannsee seine klassische Unschuld verloren. Die DreikämpferInnen ähnlen sich nicht nur äußerlich immer mehr.

Bester Berliner in Wannsee war Holger Thiele auf dem 14. Rang mit 2:05,39 Stunden. Regine Marmele war auf dem achten Platz die beste Einheimische nach 2:23,27. Bei 33 Grad im Schatten waren in Berlin 199 Männer und 85 Frauen am Start.

Jürgen Schulz