Wie die Zange auf der Sau

■ Meine Lieblingssportarten, unfalltechnisch betrachtet Vierte Disziplin: Springreiten

NOTHNAGELS ACHTKAMPF

Herr Eberhard Pulvermann hat diese Sportart erfunden - noch heute ehrt man ihn deshalb durch ein immobiles Sportgerät, welches respektvoll Pulvermanns Grab genannt wird.

Unsere Sportart zeichnet sich dadurch aus, daß zu ihrer Ausübung neben dem sportiven Menschen noch ein weiteres Lebewesen notwendig ist; und zwar nicht eines, daß vom siegreichen Kontrahenten gefressen werden darf, wie der Fisch beim Angelsport, sondern ein Vertreter oder eine Vertreterin einer besonders unschönen und begriffsstutzigen, allgemein nutzlosen Spezies, mit der der Sportler auch noch kooperieren, ja Freundschaft vortäuschen muß: ein Pferd.

Etwa zehn bis 15 hinterlistig aufgetürmte Hindernisse haben Mensch und Tier zu überwinden. Der Reiter, der eine zwar schwarze, im übrigen aber entschieden nachttopfförmige Kappe trägt, hockt schwer schwankend und durchaus sturzgefährdet auf seinem tierischen Freund wie eine Zange auf einer Sau. Meist pflegt er eines der letzten Hindernisse zu sein, am dem der Sportler krachend scheitert.

Das Pferd bleibt mit ein bis zwei Vorderhufen am Hindernis hängen; dessen mobile Teile wollen sich - unbegreifliches Schicksal - ausgerechnet heute keinen Zentimeter rühren, schon gar nicht vorschriftsgemäß nach hinten wegkippen. Nun dreht das ganze gewaltige Tier sich um die Querachse; Tendenz vorwärts-abwärts mit leichtem Drall nach links.

Der Reiter hängt nur noch mit einem seiner plumpen Schergenstiefel im Geschirre, dann hilft auch das nicht mehr, er fällt haarscharf am Pferde, das bereits jegliche Fassung verloren hat, vorbei und kommt unter dem nur auf den ersten Blick schlanken, wohlgeformten, in Wahrheit aber verfetteten und selbstverständlich vollkommen fluguntauglichen Tier zu liegen.

Im sumpfigen Grund hinter dem unzählige Male gerittenen und gerissenen Hindernis hat sein Reiterkostüm entschieden von seiner aristokratischen Erscheinung verloren - aber gerade in dieser Situation ist sein treuer Freund, das Tier, für ihn da.

Unter dem selbstzufrieden glänzenden voluminösen Arsch des Tieres kann der Reiter sein Scheitern verstecken, seine Schande schweigend und bewegungslos erleben.

Klaus Nothnagel Copyright: „Die höhnende Wochenschau