Freestyle für den Deoroller

■ Der Worldcup der Skateboardfahrer in Münster, die „Münster Monster Mastership“, ist nur was für Profibrettler - Amateure sind per Reglement ausgeschlossen

Münster (taz) - Wenn die Hitze drückend wird und im schönen grünen Münsterland die Ozonwerte ins Unermeßliche steigen, wenn die Emissionsschutz GmbH und der Regierungspräsident vor jeder heftigen Bewegung warnen, wenn die Kids davon unbeirrt ihre bunten Bretter unter die Füße nehmen und in Richtung Halle Münsterland „shredden“, und wenn sich deshalb jene Halle schon nach wenigen Stunden in einen Höllenkessel verwandelt - dann, wissen nicht nur Eingeweihte, ist wieder „Monster Mastership“ angesagt, der Worldcup der Rollbrett- und Rollerskate-Artisten.

Der neunte ist es in diesem Jahr. Im letzten Jahr hatten sich die Westfalen sogar eine regelrechte Weltmeisterschaft in die Provinzmetropole geholt und damit die Anerkennung der nationalen und internationalen Verbände. 1982 war „Münster Monster Mastership“ noch ein Art Hinterhofturnier mit eigenem Reglement und einer einzigen Disziplin, dem Fahren in der U-förmigen Riesenrampe namens „Halfpipe“. An diese Zeiten, „als es fast mehr Teilnehmer als Zuschauer gab“, erinnert sich der Initiator, Sportpädagoge und Skatermulti( -millionär) Titus Dittmann gern. Es war der Anfang einer einzigartigen Karriere - und des seltsamen Phänomens, daß Skaterworldcups nun mal in Münster stattfinden und nirgendwo sonst.

Inzwischen gibt es in Münster nicht nur Europas größte und erfolgreichste Firma für Skatingbedarf (Inhaber: Titus Dittmann) und das Stammhaus eines großen und erfolgreichen Skateboardmagazins (Herausgeber: Familie Dittmann), es gibt jetzt auch einen öffentlichen Skaterpark der alles bietet, was das Skaterherz begehrt (Idee und Konzept: Sportlehrer Dittmann).

Auf zweitausend Quadratmetern, zwischen Beton-„pool“ und „snake run„-Slalomabfahrt, ist seither reichlich Platz für das Ausführen von Luxusbrettern und Spezialshirts, Vierfarbturnschuhen und Schildmützchen. An sonnigen Wochentagen toben dort Hunderte von Brettlfans in langen Hemden und kurzen Hosen, den Kopfhörer am Ohr und die Knieschoner lässig drapiert, über Berg und Tal der Hartplatzbahnen. Und weil das allemal mehr sind als auf der Kölner Domplatte, nennt Münster sich jetzt, in stadtspezifischer „Bescheidenheit, „Europas Skatingmetropole“. Solch einer Stadt stünde ein echter Worldcup also gut zu Gesicht, noch dazu, wenn der „Deutsche Rollsportbund“ altväterlich seinen Segen erteilt und europäische und US-amerikanische Skateboard Associations mit „best wishes“ grüßen.

Die westfälische Welt wäre also mal wieder völlig in Ordnung, gäbe es da nicht einen dicken Haken an der Sache. Das neue Regelwerk, befindlich auf „internationalem Standard“, sieht nämlich vor, daß nur noch Profis starten können - sagt Titus Dittmann. So sind die langmähnigen, schönen Jungs die an diesem Wochenende ihre Bretter so virtuos durch die münstersche Halle bewegten, allesamt Vollprofessionelle. Gehandelt wird mit ihnen wie mit Lizenzen auf der Frankfurter Buchmesse. Für Schokoriegel und Deorollerfabrikanten, für Patronenfüllerspots und Diätlimonadenwerbung stehen sie zur Disposition.

Gleichwohl ist die Szene kreativ wie kaum eine andere. Die Kids sind, mit knapp zwanzig, ansehnliche Abbilder des „new business“, die ihre Haut nicht nur zu Markte tragen, sondern sie auch immer häufiger gleich selbst vermarkten. In Eigenregie werden sie, nebenbei, zu PR-Strategen und Szeneredakteuren, zu teuren Fotografen und Trashmusikern mit Fanclub. Was das mit Sport zu tun hat? Viel. Die Amateure, denen in diesem Jahr der Start verweigert wurde, mußten den Platz für die „absolute Weltelite“ räumen, weil, laut Presseinformation, das große Teilnehmerfeld der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr die Geduld der Zuschauer maßlos überforderte. Zwar kann sich daran heute kein Mensch mehr erinnern, doch gesagt, getan: der Rest ist draußen.

Draußen waren damit zum Beispiel die Frauen, denen der Sprung in die Werbeelite „mangels Nachfrage“, so die Ex -Weltmeisterin im „Freestyle“, Gogo Spreiter, nur selten gelingt. 1987 holte Gogo Spreiter für die schweizerischen Amateure den Titel in der Kürdisziplin Freestyle. 1990 warteten die Autogrammjäger vergeblich auf ihre „crazy Gogo“.

Außen vor blieben vor allem auch die lettischen Slalomspezialisten, deren Erscheinen 1989 noch für Schlagzeilen gesorgt hatte. Den DDRlern, die noch nie in Münster waren und denen bislang der Verband fehlt, versprach man freundlich eine „Initialzündung“ für die Zukunft. Dreißigtausend Mark Preisgelder angesichts von Millionenhonoraren im Ausrüstungsgeschäft ein geradezu niedlicher Klacks, waren denn für 76 Profis aus den USA, 30 Fahrer aus Brasilien und 35 Fahrer aus ganz Europa reserviert. „Einzufahren“ galt es diese Summe in den Disziplinen „Halfpipe“, auf der spektakulären Rampe, im „Freestyle“ und im „Streetstyle“, der mit möglichst straßenähnlichen Verhältnissen in der Stadthalle aufwartete.

Der große Favorit hieß Tony Hawk und sollte eigentlich aus den USA kommen. Doch daraus wurde nichts. Der „Skateboard -König“ meldete sich kurzfristig ab, und damit war die münstersche Hauptattraktion im Eimer. „Wg. Krankheit“, teilten die schockierten Veranstalter in der ersten Schrecksekunde lapidar mit. Mitfavorit Mark „Gator“ Anthony wurde ebenfalls vergeblich erwartet. Er blieb des Nachts in „durchzocktem“ (Titus D.) Zustand in einem Bauzaun hängen. Gott straft eben, wo er kann.

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