Farbwechsel eines Chamäleons

■ Lafontaines Retourkurs in der Asylpolitik

Man hat ja immer ein bißchen mehr Verständnis für Oskar Lafontaine als für andere Politiker. Er ist nicht so deutsch wie Kohl, nicht so dröge wie Vogel. Der Mann hat ein Händchen für gut inszenierte Streits und ein Gespür für Volkes Gemütslage. Die Mischung stimmte. Und jetzt? Spätestens seit Kohls Reise in den Kaukasus muß der SPD -Kanzlerkandidat eine Wahlniederlage einkalkulieren. Im Ruch eines potentiellen Wahlverlierers zu stehen, ist für keinen Politiker aufbauend. Bei Lafontaine geht es an die Substanz, denn es ramponiert das Image des optimistischen, agilen Herausforderers. Seine Kehrtwendung in der Asylpolitik hat folglich nichts mehr mit einem vermeintlich charmanten Hang zum Unorthodoxen zu tun. Es ist der Farbwechsel eines politischen Chamäleons, das Rettungsmanöver eines ehemaligen shooting stars kurz vor dem Absturz.

Kaum vorstellbar also, er glaube, was er da sagt: Daß die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl - und nichts anderes bedeutet die von Lafontaine erwogene „Einschränkung“ irgend etwas an den Flüchtlingszahlen ändern würde. Lafontaines Vorschlag, bestimmte Länder per Rechtsverordnung von der Liste potentieller Verfolgerstaaten zu streichen, findet seine Entsprechung in jenem Ansbacher Asylrichter, der sein Ablehnungsurteil schon geschrieben hatte, bevor der Flüchtling seine Gründe vor Gericht darlegen konnte.

Wer mit Überschwemmungsrhetorik Politik machen will, der braucht Bilder. Bilder von überfüllten Aufnahmelagern, die vor Dreck starren, wo Flüchtlinge und Einheimische aggressiv werden und irgendwann den Respekt vor sich selbst und den anderen verlieren. Das Flüchtlingslager Lebach im Saarland bietet solche Bilder von menschenunwürdigen Zuständen, die die Menschen schnell unwürdig erscheinen lassen. Lafontaine hat diese Zustände nicht verursacht, aber er läßt sie zu und jetzt bedient er sich ihrer.

Nur zur Erinnerung: Derselbe Lafontaine hat sich bis vor kurzem von konservativen Kreisen distanziert, die gezielt „die Abneigung gegen Ausländer und Asylbewerber“ instrumentalisieren. Diese Distanz hat er offensichtlich aufgegeben. Der Beifall aus der bayerischen Staatskanzlei kam prompt. Stimmenfang mit Stimmungsmache (gegen Flüchtlinge) - das hat 1986 schon Johannes Rau versucht. Wahlkampfhilfe leistete seinerzeit (auf Drängen der SPD) die SED: der Flughafen Schönefeld, das Ostberliner „Schlupfloch“ für Flüchtlinge, wurde dichtgemacht. Zur Freude der Konservativen - Bundeskanzler wurde ein anderer.

Andrea Böhm