Tödliche CS-Gas-Übung war reine Schikane

■ Neue Zeugen meldeten sich bei Eltern des 1986 nach einer CS-Gas-Übung gestorbenen Bundeswehr-Rekruten

Essen (taz) - Die Eltern des nach einer CS-Gas-Übung bei der Bundeswehr gestorbenen Frank Feldmann aus Ahaus haben neue Zeugen für ihre Vermutung, ihr Sohn sei das Opfer schikanöser Behandlung geworden. Ehemalige Stubenkameraden ihres Sohnes aus der Freiherr-vom-Stein-Kaserne im westfälischen Coesfeld und zwei weitere Ex-Soldaten gaben den Eltern entsprechende, zum Teil schriftliche Erklärungen.

Die CS-Gas-Übung, an der Feldmann am 31. Januar 1986 teilnehmen mußte, sei, so einer der Zeugen, „eine erzieherische Maßnahme“ des zuständigen Oberfeldwebels S. gewesen. Feldmann habe nach Dienstschluß in den Gasübungsraum gemußt. Ein anderer Zeuge erklärte, zwischen Feldmann und seinem Vorgesetzten habe ein sehr gespanntes Verhältnis bestanden. Heinrich Feldmann übergab die Aussagen inzwischen der Staatsanwaltschaft in Münster, die nach einer Anzeige der Eltern gegen den ehemaligen Oberfeldwebel S. wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Nach den jüngsten Berichten über Feldmanns Tod im nordrhein -westfälischen Landesfernsehen meldeten sich jetzt weitere Ex-Bundeswehrangehörige, die Schäden aus CS-Gas-Übungen davontrugen, oder deren Angehörige bei Feldmanns. Einer von ihnen ist Thomas Averesch (26) aus Düren. Während einer Wehrübung in Kerpen am 20. September 1988 brach Averesch beim Gasmaskentest im CS-Gas gefüllten Übungsraum zusammen und mußte mit Hyperventilation (sehr schnelle Atmung, Angstatmung) auf die Intensivstation des Dürener Krankenhauses gebracht werden. Die Angstatmung tritt bei ihm seitdem immer wieder auf. Um eine Entschädigung kämpfte Averesch vergeblich. Entgegen der Diagnose der Ärzte nach dem Unfall, erklärte ein Bundeswehrgutachter - ohne Averesch je gesehen zu haben -, seine damaligen Symptome seien „eher auf eine vegetative Ohnmacht als auf eine unmittelbare Wirkung des CS-Reizstoffes zurückzuführen“.

Im Fall Feldmann hielt die Bundeswehr nicht nur Informationen zurück, sie versuchte darüberhinaus, Franks Eltern zu kriminalisieren. Mitte Juni schickte das Bundeskriminalamt (BKA) der Borkener Kripo eine Strafanzeige des Verteidigungsministeriums gegen Feldmanns wegen „Gemeingefährlichkeit“. Der Leiter der Borkener Kripo, Ludger Stegemann, sah allerdings keinen Grund zu ermitteln. Die Anzeige habe sich auf mehr als acht Monate zurückliegende Äußerungen Heinrich Feldmanns während einer Unterredung im Verteidigungsministerium bezogen. Bei einer Anzeige wegen Gemeingefährlichkeit, so Stegemann zur taz, müsse das Verteidigungsministerium erstmal den achtmonatigen Verzug erklären.

Bettina Markmeyer