Vergewaltiger sind Frauenfreunde - oder?

■ Sprache und Recherche beim 'Spiegel‘

Essen (taz) - Der 'Spiegel‘ kommt in seiner jüngsten Ausgabe ganz nebenbei zu neuen Erkenntnissen, die besonders für seine Leserinnen von einiger Bedeutung sein dürften: Vergewaltiger sind Frauenfreunde.

In einer Abhandlung über den „gefährlichsten Mann der Welt“, Saddam Hussein, vergleicht das Blatt den Iraker mit Nicolae Ceausescu. Da gibt es, folgt man dem 'Spiegel‘, Ähnlichkeiten bis hin zu den Despotensöhnen.

Dazu erzogen, einmal ihre Väter zu beerben, seien doch beide mißraten (wieso eigentlich, bei den Vätern?): „Nicu Ceausescu machte in Rumänien durch Saufgelage und Vergewaltigungen auf sich aufmerksam, mindestens zweimal überfuhr er alkoholisiert Fußgänger. Saddams Sohn Udai, auch er ein Freund der Frauen und der scharfen Drinks, erschlug 1988 auf einer Party...“ usw.

In der Tat, die Ähnlichkeiten sind frappierend: der eine ein Vergewaltiger, und auch der andere ein Freund der Frauen. Doch nicht genug: der 'Spiegel‘, der alles weiß, weiß auch, daß Nicu Ceausescu „mindestens zweimal“ Fußgänger überfuhr. Auf der nächsten Seite erfahren wir, daß Hussein -Sohn Udai auf jener Party 1988 den „Freund und Leibwächter des Vaters“ erschlug. Und der 'Spiegel‘ weiß auch dessen Namen: Kamil Hanna. Über die weiblichen Menschen, die die Söhne der Diktatoren auf dem Gewissen haben, weiß der 'Spiegel‘ nichts, keinen Namen, keine Zahl.

Verachtung, sollte man denken, sei die Haltung gegenüber Männern, die ein ganzes Volk quälen und solchen, die eine Frau quälen. Nicht die gegenüber ihren Opfern.

bm