Honecker wußte von Disco-Anschlag

■ „La Belle„-Bombe: „Handschriftliche Anmerkungen“ des Ex-SED-Chefs / MfS sollte nicht observieren

Berlin. Die SED-Spitze wußte zwei Wochen vorher, daß Libyer einen Anschlag auf eine amerikanische Einrichtung in West-Berlin planten. Ein Ex-Stasi-Offizier hat erklärt, daß seit dem 20. März 1986 - die Bombe im „La Belle“ explodierte in der Nacht zum 5. April und tötete drei Menschen - Stasi -General Erich Mielke fast täglich vor einem Attentat der Libyer gewarnt wurde. Das berichtete gestern die Hamburger Illustrierte 'Stern‘ in einer Vorabveröffentlichung. Der Ex -Stasi-Offizier wörtlich: „Mielke hat unsere Berichte mit hundertprozentiger Sicherheit an Honecker, Krenz und Axen weitergeleitet - ich habe selbst handschriftliche Anmerkungen von Honecker gesehen.“ Egon Krenz war damals als Sekretär des ZKs der SED für Sicherheit zuständig, Hermann Axen war ZK-Sekretär für Internationale Verbindungen gewesen.

Damit erklärt sich auch, warum die DDR -Generalstaatsanwaltschaft weiterhin einen Teil der Ermittlungsakten im Fall „La Belle“ nicht an die Westberliner Staatsanwaltschaft herausrücken will. Die Begründung für das juristische Versteckspiel, angeblich seien in den Akten Angaben über Staatsbürger der DDR enthalten, kann die Senatsverwaltung für Justiz nicht „nachvollziehen“, so Pressesprecher Cornel Christoffel. Auch DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel hält Akten des Vorganges „Libysches Volksbüro“ zurück, obwohl der Generalstaatsanwalt sie seit langem angefordert haben soll.

Die Stasi soll dem libyschen Geheimdienst schon Anfang der achtziger Jahre auf die Schliche gekommen sein. Trotz eines Befehls von oben, die Finger von den Libyern zu lassen, sollen Stasi-Leute herausgefunden haben, daß in der Ostberliner Botschaft - dem „Volksbüro“ - Waffen, Munition und Sprengstoff gestapelt und konspirative Wohnungen in der DDR und in West-Berlin angemietet worden waren. 1985 schlug die Spionageabwehr der Stasi bei Mielke erneut Alarm. Trotz wiederholtem Befehl von oben, ihre Aktionen zu unterlassen, soll die Spionageabwehr weiter observiert haben und 1986 sogar einen Spitzel ins Volksbüro gesetzt haben können.

Dirk Wildt