Vereinigungsopferung vorerst verhindert

■ Senat wollte neu besetzte Magistratsstellen streichen / Ostberliner Haushaltsloch von 1,7 Milliarden soll kleiner werden

Die einen wollen ihn mit Wahlen, die anderen vorerst ohne den Beitritt der DDR. Für die MitarbeiterInnen des Magistrats bedeutet der Anschluß Bangen um den Arbeitsplatz

-denn hundertprozentig übernommen wird ihr Staat, nicht aber seine aufgeblähten Verwaltungsapparate. Wäre es nach dem Willen des Westberliner Senats gegangen, hätte man gestern die ersten Opfer dieser Abmagerungskur zum Wohle der Vereinigung vermelden müssen.

Ausgerechnet das Büro der Ostberliner Ausländerbeauftragten sollte es am härtesten treffen. Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautete, stritten sich StadträtInnen und SenatorInnen in der gemeinsamen Sitzung über rund 30 neu besetzte Stellen in der Ostberliner Gesundheits - und Kulturverwaltung sowie dem neu eingerichteten Büro der Ausländerbauftragten, Anetta Kahane. Ihr sollte die Hälfte der bereits versprochenen zehn Stellen gestrichen werden. Mit dem Hinweis auf den bevorstehenden Beitritt und das immense Haushaltsloch des Magistrats wollte vor allem West -Berlins regierender Bürgermeister Momper (SPD) den Rotstift ansetzen. Nach anderthalbstündiger Debatte setzte sich schließlich Ost-Berlins Innenstadtrat Thomas Krüger (SPD) durch: Die Ausländerbeauftragte, wie auch die Kultur - und GesundheitsstadträtInnen können vorerst mit ihren neuen Leuten weiterarbeiten.

Die Streichungen, offiziell als „Zurückstellungen“ umschrieben, waren bereits Montag in der routinemäßigen Sitzung der „zweiten Garnitur“ in Gestalt Westberliner StaatssekretärInnen mit den Ostberliner stellvertretenden StadträtInnen vereinbart worden.

Zu Interessenskonflikten dürfte es da noch nicht gekommen sein, zumal die überwiegende Mehrzahl der StellvertreterInnen aus dem Osten aus West-Berlin abgeordnet worden sind. Im Hintergrund der gestrigen Auseinandersetzung stehen die Haushaltberatungen des Magistrats am Freitag dieser Woche. Im Roten Rathaus macht man sich bereits auf eine Mammutsitzung gefaßt. Der Ostberliner Haushalt weist für die zweite Jahreshälfte eine Deckungslücke von 1,7 Milliarden DM auf. Ziel sei es, erklärte ein Magistratssprecher, die „eins vor dem Komma wegzubekommen“.

Zum zweiten drohen dem Berliner Verwaltungsapparat mit dem überstürzten Beitritt der DDR gewaltige Erosionen: Zwar sollen bis zum Wahltag zwei Stadtregierungen und Parlamente in Berlin fortexistieren, der Westberliner Senat wird aber nach Kräften versuchen, die Verwaltung von Ost-Berlin unter Kontrolle zu bekommen. Den etwa 100.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst in West-Berlin stehen mindestens ebensoviele auf Ostberliner Seite gegenüber. Die Übernahme des öffentlichen Dienstes wird in einer Anlage zum zweiten Staatsvertrag geregelt. Nach Auskunft eines Sprechers der DDR-Regierung werden die genauen Modalitäten derzeit in den Expertengesprächen zwischen Bonn und Ost-Berlin verhandelt.

anb/kd