Solarmobile - Schmetterlinge mit Batterie

■ Eine Betrachtung zur derzeit laufenden internationalen Solarmobil-Rallye von Hamburg nach Berlin

Berlin (taz) - Wie eine dicke gefräßige Raupe erscheint das Automobil. Träge, unbeweglich und schädlich frißt sie sich durch die Ballungsgebiete. Aneinandergeklebt im Stau, im Zweitakt oder Kat-geregelt, keine Spur von flinker Wendigkeit. Soll die viel gepriesene Mobilität erhalten bleiben, bedarf es der Verpuppung des „fossilen“ Kfz, verbunden mit der Hoffnung, daß aus Raupen Schmetterlinge schlüpfen.

Optimisten glauben, daß die Schmetterlinge der Straße längst geschlüpft sind. Seit 1985 flattern sie auf der „Tour de Sol“ in der Schweiz. Aber auch in der BRD und seit dem „Runden Tisch“ selbst in der DDR ist seit einiger Zeit der einen oder dem anderen einer vorbeigeflogen. Selbst die Flügel dürfen berührt werden, wie die zahlreichen „Alltagstauglichkeitsprüfungen“ auf dem Weg von Hamburg nach Berlin im Rahmen der jetzt laufenden Solarmobil-Rallye beweisen. Die Rallye endet am 12.August, dem Tag des Solarmobils. Amtlich administrativ ist der Begriff „Solarmobil“ nicht definiert. Was also ist ein Solarmobil? Zunächst ist es nichts anderes, als ein Elektrofahrzeug, bestehend aus den wesentlichen Komponenten für Energiegewinnung und Speicherung, Antrieb und Fahrwerk und einer Karosserie.

Ein Elektrofahrzeug benötigt Strom als Energieträger. Es wäre widersprüchlich, im Sinne einer ökologisch geführten Solarmobil-Diskussion, durch den Betrieb dieser Fahrzeuge auf Atomstrom zurückzugreifen. Deshalb führen die „Solari -Fahris“ ihre Mobile ausschließlich mit regenerativen Energiequellen. Jeder betreibt seine eigene Tankstelle und dies sind in erster Linie die Sonnenenergie aus Solarzellen (Photovaltaik), aber auch die Elektrizität aus Generatoren, die durch Wasser- oder Windkraft betrieben werden. Um die auf diese Weise gewonnene wertvolle Energie nicht zu verschwenden, wird bei der Gesamtkonstruktion des Fahrzeuges auf hohe Wirkungsgrade geachtet. Sie liegen heute schon über 70 Prozent und damit vier bis fünf mal höher als bei „fossilen“ Kraftwagen.

Bei Solarmobil-Wettbewerben finden wir aber auch Experimentier-Fahrzeuge, die Rennsolarmobile, die auf der Fahrzeugfläche so viele Solarmodule befestigen, daß sie schon allein für den Betrieb ausreichend Strom produzieren. Das Problem: Kein TÜV würde einem Fahrzeug mit einer Tischtennisplatte auf dem Dach ein Nummernschild verpassen. Also besteht das favorisierte Prinzip im Netzverbund. Dies bedeutet, daß eine stationär installierte regenerative Energiequelle (zum Beispiel eine Photovoltaik-Anlage auf einem Hausdach oder ein Windgenerator im Rapsfeld) Strom in das Netz einspeist (theoretisch läuft dann bei der Stromproduktion der Stromzähler rückwärts), während bei der Aufladung des Solarmobils an jeder Steckdose ortsungebundener Strom entnommen wird (ohne die Atomstromnachfrage zu erhöhen).

Einleuchtend ist, daß diese Fahrzeuge nicht wie der elektrische Rasenmäher auf dem englischen Reihenhaus-Rasen im öffentlichen Straßenverkehr mit Verlängerungskabel arbeiten können. Um dies zu vermeiden, ist ein Energiespeicher (Batterie) erforderlich, der im Fahrzeug mitgeführt wird. Dies ist seit 1850, dem Jahr der Blei -Akkumulator-Erfindung, das größte technische Problem. Neben dem Blei-Akku haben Nickel-Cadmium, Silber-Zink, Natrium -Schwefel und Zink-Brom mehr oder weniger Serienreife erreicht. Alles Materialien, die nur mit großen Anstrengungen ökologisch verträglich verarbeitet werden können - ein wunder Punkt in der Solarmobil-Bewegung. Dazu kommt, daß die Speicherung der elektrischen Energie mit Verlusten verbunden ist und das Batteriegewicht meist ein Drittel des Fahrzeuglehrgewichts beträgt.

Die Batterie speichert die Energie für das Solarmobil und bewegt es damit 40 bis 100 Kilometer weit. Hochleistungsbatterien auf Natrium-Schwefel- und Zink-Brom -Basis haben eine viermal höhere Leistungsdichte und können die Reichweite auf 200 bis 300 Kilometer erhöhen. Die Verwendung dieser Ausführungen scheitert zumeist an den zu hohen Anschaffungskosten. Eine Natrium-Schwefel-Batterie kostet in der kleineren Ausführung (48 V/200 Ah) circa 25.000 DM. Allerdings ist die Lebensdauer sehr viel höher als beispielsweise beim Blei-Akku. Diese Blei-Traktions -Batterie hat eine Lebensdauer von 500 bis 1.000 Ladezyklen. Bei täglicher Ladung von leer auf voll bedeutet dies eine Lebensdauer von eineinhalb bis drei Jahren. Danach wird der Speicher wieder aufgearbeitet. Kosten für den Ersatz der Bleispeicher richten sich nach Kapazität und Anzahl. So muß ein Solar-Fahrer eines einsitzigen „Mini-EL“ 900 DM zahlen. Ein Zweisitzer verschlingt 2.100 DM. Selbstverständlich fällt der Kostenaufwand für Kraftstoff weg. Ein vergleichbarer Kleinstwagen hätte bei gleicher Laufleistung im gleichen Zeitraum zirca 2.800 DM für Benzin verbraucht.

Der Antrieb eines Solarmobils ist ein Gleich- oder Drehstrom-, beziehungsweise Asynchronmotor. Die Steuerung über das Fahrpedal (ehemals Gaspedal) wird dem Motor elektronisch zugeregelt. Ein Zahnriehmen überträgt die Kraft auf die Antriebsräder. Häufig ist aus Gründen der Übersetzung ein Schaltgetriebe zwischengeschaltet. Zur Vermeidung von Übetragungsverlusten wird aber möglichst darauf verzichtet.

Fahrwerk und Antriebsräder sind in Leichtbauweise gefertigt. Die erforderliche Stabilität ist dem geringen Geschwindigkeitsniveau von zirca 40 bis 80 km/h angepaßt. Das gleiche gilt auch für die Karosserie. Möglichst geringer Luft- und Rollwiderstand bestimmen die Konstruktion, was ein Solarmobil auch äußerlich von dem „fossilen“ Kraftwagen unterscheidet. Dazu gehören auch die Mofa-Schmalreifen und die Sitzanordnung eines Zweisitzers hintereinander. Ein Gesamtgewicht von 500 bis 600 Kilo darf nicht überschritten werden; anderenfalls bricht der Energiehaushalt des Mobils zusammen und die Reichweite sinkt unter die Alltagstauglichkeitsgrenze.

Die Karosserien sind zumeist aus Kunststoff, Hersteller bemühen sich ständig um recyclingfähige Materialien. Vor allem kleine Hersteller und nebenberufliche Konstrukteure bauen Solarmobile. Wenig Rücksicht nehmen sie allerdings auf die Zulassungsbestimmungen, was in vielen Fällen die Zulassungsfähigkeit des einen oder andern Solarmobils mit Alltagstauglichkeit erschwert. Das billigste Solarmobil kostet rund 10.000 DM. Allerdings ist die „Richterskala“ nach oben offen. Trotzdem - die meisten Fahrzeuge sind für 20.000 bis 30.000 DM zu haben.

Zusammengefaßt: Solarmobile sind energieautark, sie fahren langsam, leise und abgasfrei, sie befördern ein bis zwei Personen und ein wenig Gepäck. Da der heutige Individualverkehr im Durchschnitt 1,12 Personen pro Fahrt befördert, ist der alltagstaugliche Einsatz ohne fossiles Antriebssystem machbar. Solarmobile haben eine Reichweite von 40 bis 100 Kilometern. Damit eignen sie sich vor allem als Kurzstreckenfahrzeug. 65 Prozent aller Pkw-Fahrten liegen aber zwischen 20 und 100 Kilometern. Allerdings ist bis heute fraglich und bislang nicht untersucht, ob Solarmobile nicht auch auf die heute schon umweltfreundlichen Fortbewegungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel zu Fuß gehen, Fahrradfahren und Bahnfahren, substituierend wirken.

Jürgen Strauch

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