Pakistans beschnittene Demokratie

■ Ära Bhutto wurde erneut mit Kriegsrecht beendet

Für pakistanische Verhältnisse sind 21 Monate Demokratie kein schlechtes Ergebnis. Für viele war es schon ein kleines Wunder, daß Benazir Bhutto - die erste Frau an der Spitze eines islamischen Staates - das Mißtrauensvotum im vergangenen November politisch überlebt hatte. Diesmal kam Präsident Ishak Khan einem eventuellen, wenn auch sicherlich knappen, Erfolg der Premierministerin zuvor und verfügte die Auflösung der Regierung und setzte kurzerhand Oppositionsführer Jatoi vorübergehend an ihre Stelle. Jatoi hatte sich schon unter Vater Bhutto einen Namen als Chef der heute explosiven Sindh-Provinz gemacht und bis zur Rückkehr Benazir Bhuttos aus dem britischen Exil mit ihrer Volkspartei gemeinsame Politik.

Hinter ihm und Staatspräsident Ishak Khan sollen nun jene Kreise des Militärs stehen, die sich ebenso wie Jatoi unter der Regierung von Frau Bhutto in ihren Befugnissen beschnitten sehen. Kreise, die sich im Falle einer militärischen Eskalation des Kaschmirkonflikts nicht gerne von einer Frau dirigieren lassen; die in der von ethnischen Konflikten zerrüteten Sindh-Provinz schon längst härter durchgegriffen hätten, als es die dort beheimate Bhutto -Partei bisher zuließ.

Die südliche Sindh-Provinz war die letzte der vier pakistanischen Provinzen, in der sich Frau Bhutto ihrer Hausmacht sicher sein konnte. Allein, auch der Tochter des Bhutto-Clans gelang es nicht, in der Acht-Millionen -Metropole Frieden zu stiften. Die feudalen Abhängigkeitsverhältnisse, auf die sich Bhutto im Sindh verlassen konnte, berühren nicht die um Arbeits- und Ausbildungsplätze konkurrierende städtische Bevölkerung. Ihr kommt die Kritik an Korruption und Nepotismus aufgrund täglicher Erfahrung schneller über die Lippen als die Vaterverehrung für den unter Fundamentalist Zia-ul-Haq erhängten Zulfikar Ali Bhutto.

Dennoch könnte Benazir Bhutto nun erneut vom Märtyrer-Bonus profitieren, falls die Ausrufung des Kriegsrechts nicht auf eine Aussetzung des für Oktober anberaumten Wahltermins hinausläuft. Der afghanische Mudschaheddin-Widerstand dürfte gegen die Absetzung der moderaten Bhutto nichts einzuwenden haben. Und auf Indien, das eine Stärkung fundamentalistischer Strömungen im nördlichen Kaschmir zu befürchten hat, mag der Staatsstreich ebenso bedrohlich wirken wie auf die Regierung Nadschibullah.

Simone Lenz