Warnschuß für Bundesanwaltschaft

■ Im Düsseldorfer PKK-Prozeß muß die Bundesanwaltschaft zurückgehaltenes Entlastungsmaterial zugänglich machen / Die Ablösung des Oberstaatsanwalts wurde jedoch vom Gericht abgelehnt

Aus Düsseldorf B. Markmeyer

Auch entlastendes Beweismaterial gehört zu den Akten. Für die Vertreter der Bundesanwaltschaft im Düsseldorfer PKK -Prozeß scheint dies allerdings keineswegs selbstverständlich. Der Vorsitzende Richter des 5.Strafsenats am Düsseldorfer Oberlandesgericht, Jörg Belker, verkündete am Dienstag einen Beschluß, nach dem die Bundesanwaltschaft dem Gericht und der Verteidigung zurückgehaltenes Beweismaterial zugänglich machen muß. Außerdem müssen die Ankläger erklären, daß sie dem Gericht keine weiteren Beweismittel vorenthalten.

Der „ungeheuerliche Vorgang“, so Rechtsanwalt Bremer aus Frankfurt, war nur zufällig aufgedeckt worden. Der Leiter der Zeugenschutzstelle beim Bundeskriminalamt (BKA), Kriminalhauptkommissar Berger, der als Zeuge vernommen worden war, hatte erklärt, daß im November letzten Jahres Mehmet B. kurzfristig Zeugenschutz gewährt worden sei.

Mehmet B. soll im Frühjahr 1984 Opfer eines Mordversuchs geworden sein, an dem sich mindestens zwei der in Düsseldorf vor Gericht stehenden PKKler beteiligt haben sollen, so die Anklage. Im November 1989 befragte das BKA Mehmet B. zu dem damaligen Mordversuch und legte ihm Fotos vor, darunter die der beiden Beschuldigten und eines dritten Angeklagten. B. erkannte niemanden.

Gericht und Verteidigung erhielten nicht einmal einen Vermerk über B.s Vernehmung beim Bundeskriminalamt. Vielmehr ließ die Bundesanwaltschaft wissen, B. könne als Zeuge nicht aussagen, da er an seinem Wohnort in Schweden nicht aufzufinden sei.

Noch während der Hauptverhandlung Ende Juni bestritt Oberstaatsanwalt Lothar Senge auf Nachfragen der Anwälte heftig, daß B. beim BKA vernommen worden sei. Zwei Tage später erklärte er dann schriftlich, daß er die Vernehmung B.s nicht aktenkundig gemacht habe, um ihn zu schützen. Eine Ablösung des Oberstaatsanwalts Senge, wie sie die AnwältInnen fordern, lehnte das Gericht gestern ab.

Absolut beschränkte Aussagegenehmigungen für polizeiliche Zeugen und die von der Bundesanwaltschaft vorbereitete Aussageverweigerung eines der Hauptbelastungszeugen D., so die AnwältInnen, mache es ihnen unmöglich, die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen in der Hauptverhandlung zu prüfen.

Rechtsanwalt Dirk Schoenian kritisierte außerdem die Zeugenschutzmaßnahmen des BKA als „Methode dauerhafter Beeinflussung der Zeugen“. So sei der neben Ali Cetiner wichtigste Belastungszeuge im Düsseldorfer PKK-Verfahren, Nusret A., seit zwei Jahren vom Bundeskriminalamt abhängig. Die Ermittlungsbehörde habe jederzeit Zugriff auf den Zeugen. Nusret A. erschien gestern erstmals vor Gericht. Er soll über Bestrafungsaktionen gegen abtrünnige PKKler und die Strukturen der Partei aussagen.