Koalition platzt (schon wieder) nicht

■ Senatsstreit um HMI-Reaktor geht weiter / CDU stellt Mißtrauensantrag gegen Schreyer / AL spricht von „schwerer Belastung“ der Koalition / SPD verbreitet unverdrossen Optimismus

West-Berlin. Nach dem Senatsbeschluß von Dienstag abend setzte sich der Koalitionskonflikt um den Forschungsreaktor des Hahn-Meitner-Instituts gestern in ungeminderter Schärfe fort. Bernd Köppl und Michael Haberkorn vom AL -Fraktionsvorstand übten vor Journalisten scharfe Kritik an dem Beschluß und warfen dem Regierenden Bürgermeister vor, die SPD mit der Entscheidung in Richtung große Koalition abzudrängen. „Der Beschluß der SPD-Senatsmehrheit ist eine Katastrophe für die rot-grüne Koalition, weil er die Glaubwürdigkeit der ökologischen Politik in Berlin untergräbt“, so der Abgeordnete Bernd Köppl. Selbst Köppl als treuer Befürworter der rot-grünen Koalition mußte einräumen, daß ein trauriger Punkt erreicht sei und die Entscheidung des Senats eine schwere Belastung des Koalitionsklimas darstelle. Die Koalitionsfrage stellt sich nach Ansicht von Köppl und Haberkorn jedoch solange nicht, solange die Umweltsenatorin „Frau des Verfahrens“ bleibe. „Die Koalition ist dann zu Ende, wenn Momper Schreyer die Kompetenz entziehen will“, so Haberkorn. Ob dieser Punkt schon erreicht ist, wenn Momper das komplizierte Verfahren einleitet, das einer solchen Entmachtung vorausgehen muß, oder erst, wenn Schreyer die Atomaufsicht tatsächlich schon entzogen worden ist, darüber gibt es in der AL noch keine Klarheit.

Auf die Drohung der AL konterte die Senatsspitze scheinbar gelassen: Man gehe davon aus, so Senatssprecher Kolhoff gestern nachmittag, daß sich die Umweltsenatorin an Senatsbeschlüsse halten und innerhalb von zwei Wochen eine Genehmigung für den Reaktor auf der Grundlage des Senatsbeschlusses erteilen werde. Obwohl Schreyer gestern erneut bekräftigte, sie werde dem Reaktor keine Genehmigung erteilen, erklärte der Senatssprecher: „Wir gehen davon aus, daß ein positiver Bescheid ergeht.“

Eine Chance, die störrische Umweltsenatorin doch noch loszuwerden, hätte die SPD am 23. August. Spätestens dann also nach Ablauf der Frist, die die SPD Schreyer für eine Genehmigung des Reaktors setzte - will die CDU-Opposition einen Mißtrauensantrag gegen Schreyer ins Abgeordnetenhaus einbringen. Ein solcher Antrag sei die „einzige Möglichkeit“, so Oppositionschef Diepgen, „bleibenden Schaden von Berlin abzuwenden“. Auch die Westberliner Industrie- und Handelskammer kritisierte die „erneute Vertagung“ der Entscheidung.

Zwiespältig reagierte die CDU in Bonn. Während Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) die Senatsentscheidung „mit Erleichterung“ zur Kenntnis nahm, beklagten die Forschungspolitiker in der Unionsfraktion des Bundestages die erneute vierzehntägige Verzögerung. Jeder Monat der Nichtinbetriebnahme des 170-Millionen-Mark -Apparates koste den Steuerzahler zwei Millionen Mark.

Die Umweltsenatorin fürchtet, wie sie gestern erklärte, daß die Senatsentscheidung „negative Rückwirkungen auf die Entsorgungsdiskussion im gesamten Bundesgebiet haben werde“. Die SPD im Berliner Senat habe sich „der Position der CDU in der Entsorgungsfrage angeschlossen“. Damit hätten die Sozialdemokraten auch die von anderen SPD-regierten Bundesländern vertretene Position „verlassen“.

kd/hmt Siehe auch Berichte und Kommentar

auf den Seiten 6, 10 und 21