Zähes Werk für Kulturmasochisten

■ „Blue Marine“, Di., 7.8., ZDF, 22.15 Uhr

Ich hätte wirklich gerne heute abend noch ein Bier getrunken, verwehre mir dies aber, weil ich mich in wenigen Minuten noch in den Verkehr stürzen muß, um dieses Manuskript in jenes Büro zu fahren, wo das Telefaxgerät stationiert ist. Wenn die taz einmal groß und reich geworden ist , werde ich mir vielleicht ein Taxi leisten können.

Bis dahin aber zehre ich vom kargen Honorar und bleibe trocken; so verhindert die Zentralredaktion das Abgleiten ihrer MitarbeiterInnen in den Feierabendalkoholismus. An dieser Stelle, wo ich mühsam versuche, auf den Gegenstand meiner medienkritischen Betrachtung und gequälten Standbild -Hauerei zu kommen, wäre mir mit einem kleinen anregenden Rausch allerdings schon sehr geholfen... Nun gut.

Ein meditativer Film war das. Bilder vom Alltag auf Deck, von hohen Meereswellen und knotigen Menschen auf hoher See. Da hätte es nicht weiter geschadet, zwischendurch ein Bier holen zu gehen, ein paar Zeilen zu lesen oder für einige Minuten einzunicken.

Es gab keinen Fortgang einer etwaigen Geschichte zu verpassen, keinen Spannungsbogen, nicht einmal sonderlich belangvolle Bilder. Der Regisseur Jean-Claude Riga läßt seine Schauspieler faseln und plaudern und laut denken und monologisieren, aber alles Gerede ist so egal wie die Bilder, die der Regisseur auswählt, um es zu illustrieren. Die Worte berühren den Zuschauer nicht im geringsten; sie wirken aufgesetzt, beliebig, gestelzt. Da hat einer am Schreibtisch Poesie erbrochen, anscheinend aber ein gestörtes Verhältnis zum Buch - drum wurde ein Film draus. Wenn nicht gerade jemand Hochgestochenes deklamiert, zirpen rückkopplungsartige Sphärenklänge, die dem Ganzen wohl irgendwie Atmosphäre aufdrücken sollen, aber nur die Nerven strapazieren, was gemeinsam mit der immer mehr körperlich spürbaren Langeweile - weil der sorgsame Rezensent die Augen natürlich nicht abwendet - ein Gefühl kompletter Unbehaglichkeit verursacht.

Der Redakteur teilte mir mit, irgendwer habe Riga mit Jim Jarmusch verglichen. Welche Vermessenheit! Jarmusch greift nur aufs gesprochene Wort zurück, wenn seine Bilder nicht mehr ausreichen, die Geschichte zu erzählen; in seinen besten Momenten braucht Jarmusch überhaupt keinen Text. Zwar will das einzelne Filmbild sorgsam inszeniert sein, aber erst die geschickte Reihung qua Montage macht einen Film aus. Jarmusch weiß das, Riga nicht. Darum gehört Blue Marine zu den Fernsehspielen, die es nötig haben, daß die Ansagerin vorher den Inhalt erzählt. Sonst weiß hinterher niemand, was er da eigentlich gesehen hat - außer einem furchtbar zähen Werk für Kulturmasochisten.

Herr Dittmeyer