Goldmund-Narziß oder Macht-Manager?

■ Die ARD auf der Suche nach einem Nachfolger für Sportkoordinator Fritz Klein: Wunschkandidat Gerhard Meier-Röhn schwankt noch zwischen Macht und Narzißmus, Jürgen Emig lernt schon vor

Von Josef-Otto Freudenreich

Als Fritz Klein den Job im April 1987 antrat, wußte er, worauf er sich einließ. Ein „verdammt schwieriges Geschäft“ würde es werden, prophezeite der damals 49jährige, aber da ihm nun mal „Management mehr liegt als Journalismus“ sei es wohl die richtige Aufgabe.

Widersprochen hat ihm weiland keiner, weil der Sportreporter Klein („Der Beifall gilt Hans Müller, der sich unten auszieht“) als einer der drögesten der Branche galt. Am Bildschirm tauchte er nur noch auf, wenn Bernhard Lamger zum Eisen greifen oder sich selber dementieren mußte. Erinnert sich noch jemand an die rührende Szene in der „Sportschau“? Fritz Klein, treuherzig aus dem karierten Sakko schauend, fragte den Golfprofi, ob es stimme, daß er, der Sportchef des Norddeutschen Rundfunks, „zum Einschlafen langweilig“ sei, wie die 'Bild'-Zeitung Langer zitiert hatte.

Schwamm drüber - der Manager hat seine Sache besser gemacht: Allen Voraussagen zum Trotz hat das öffentlich -rechtliche Fernsehen in der Bundesrepublik auf dem Sportsektor keineswegs an Boden verloren. Im Gegenteil. Alle wichtigen Lizenzen gehören ARD und ZDF, sieht man einmal vom Tennis ab, um das sich die private Konkurrenz kloppt. Olympische Spiele, Fußball-Welt- und Europameisterschaft, der nationale „Sixpack“ (Leichtathletik, Handball, Volleyball, Tischtennis, Hockey, Turnen), die Reiter, Basketballer, Tänzer usw. - alles ist in öffentlich -rechtlicher Hand. Und wenn es noch eines Indizes für das Kräfteverhältnis bedurfte, dann muß man sich nur das neue Sendeschema zur kommenden Fußball-Bundesligasaison anschauen. RTL plus ist der klare Verlierer, die Popularität der Sportschau ungebrochen, und sie wird weiter steigen.

Eine Sprache wie

Goethe und Schiller

Nun mag man's mit Walter Jens halten, der dies darauf zurückführt, daß die öffentlich-rechtlichen Reporter „immer noch wie Goethe und Schiller sprechen, verglichen mit den RTL-Kommentatoren, die nichts weiter als forsch und töricht sind“. Aber damit würde man auch Fritz Klein nicht gerecht werden. Entsprechend auch Albert Scharf, dem Vorsitzenden der EBU (European Broadcasting-Union), der mit unbestrittener Kompetenz weltweit Fäden zog. Was ist sein Klein herumgejettet, um anzuschaffen, was mit den Gebührengeldern anzuschaffen war. Nur seine Gesundheit blieb auf der Strecke: Immer nur Pillen gegen Herzbeschwerden, diesen Kampf wollte der 53jährige nur noch bis zur Fußball -WM in Italien ausfechten.

Im September soll jetzt der Nachfolger gekürt werden. Dietrich Schwarzkopf, der Programmdirektor, und Albert Scharf, der Sport-Intendant der ARD, haben sich einen ausgeguckt: Gerhard Meier-Röhn, Sportchef des Südfunk -Fensehens. Der 43jährige versteht sich in erster Linie als Entertainer, sein Programmangebot als kurzweiliges Amüsement für eine vergnügungssüchtige Gesellschaft. „Gerry“, wie ihn 'Bild‘ liebevoll nennt, blüht erst richtig auf, wenn er sich mit Boris Becker oder seinem Förderer Lothar Späth umgeben kann. Der Ruf aus München kam nun wie Donnerhall über ihn. Ein Job für ihn, den charming Shootingstar, eine Position, die innerhalb des „Ersten“ zur wichtigsten und aufreibendsten zugleich zählt. Was also tun mit der ehrenvollen Offerte? Viel Zeit zum Überlegen hat er nicht, die ARD-Intendanten wollen ihn am liebsten schon auf ihrer Stuttgarter Sitzung am 11. September küren.

Aufregung herrscht nun natürlich bei den Südfunkern. Chef Hermann Fünfgeld hat „zwei Seelen in der Brust“. Einerseits empfindet er es als „Auszeichnung für meinen Sender“, andererseits will er diesen „qualifizierten Mann unter keinen Umständen“ verlieren. Der Umworbene wiederum, die Karriereleiter fest im Auge, ist ebenfalls hin- und hergerissen. Zum einen fühlt er sich einem Funkhaus verbunden, das ihn schon 1972 als Student zum Reportieren nach München zu den Olympischen Spielen schickte, später zum Redaktionsleiter Landespolitik und ihn 1988 zum Sportchef gemacht hat. Nach Kräften gestützt von Fernsehdirektor Hans Heiner Boelte, einem populistischen Sportfex, nach bester dramaturgischer Kunst, in Szene gesetzt von Marc Froidevaux, einem erstklassigen Regisseur, und unterlegt von der Power der Sportstadt Stuttgart, hat Meier-Röhn den SDR in die Spitze der ARD-Sportabteilungen geschoben.

Macht oder Narzißmus, Manager oder Moderator

Auf der anderen Seite lockt die Koordination, die Herausforderung, für die gesamte ARD Programm mitzugestalten und zu erwerben. Hier werden Millionen über den Tisch geschoben, Weichen auf Jahre hinaus gestellt. In seiner Unterhaltungslust hat das „Erste“ fast alles aufgekauft, was an quotenträchtiger Ware auf dem Markt ist. „Damit“, sagt Meier-Röhn, „könnte ich mich sehenlassen“. Wenn da nur nicht diese verflixte Entscheidung wäre: entweder Manager oder Moderator, Macht oder Narzißmus. Er will halt schon auf dem Bildschirm bleiben aber offensichtlich geht das nur zum Preis von Herzattacken, wie bei Fritz Klein, der partout noch vor laufender Kamera einputten mußte.

Wenn Meier-Röhn den Streß nicht auf sich nehmen will, scharren weitere Kandidaten schon in den Startlöchern. Mit geringen Chancen Claus Beissner (55), Hörfunkchef beim Norddeutschen Rundfunk, und Karl-Bernd Skamper (54) von der Deutschen Welle. Mit größeren Aussichten: Dr.phil. Jürgen Emig, Sportchef des Hessischen Rundfunks, und Kanditat Nummer zwo für den „Horrorjob“. Der 45jährige denkt ebenfalls am liebsten in Ratings, sein Begehr ist der große Sport, nicht der Anachronismus des organisierten Sports, möglichst auch noch Wurstschnappen zu übertragen. Solcherlei Ansinnen begegnet er gerne mit der Gegenfrage: „Wir sollen wohl für die Moral zuständig sein und die Privaten für den Kommerz?“

Des Machers neue Herausforderung

Der alerte Mittvierziger, der sich natürlich auch nicht um den Job reißt, hat sich allerdings schon Gedanken über die neue challenge gemacht. Die herkömmliche Koordination könne es nicht mehr geben, strukturelle Änderungen müßten her. Der Erwerb der Rechte und ihre Verwertung müßten gebündelt, effizienter und straffer gestaltet werden. So ginge es nicht an, daß jede ARD-Anstalt Beschlüsse der Koordination absegnen müsse, andererseits Sender wie der SDR über die eigene Verwertungstochter „Maran“ Lizenzen kaufe, von denen in München niemand wisse. In der Tat haben diese föderalistischen Friktionen, dieses eifersüchtige Wachen über den eigenen Sprengel, auch Fritz Klein viel Kraft gekostet.

Egal wie, Jürgen Emig fühlt sich dieser Aufgabe gewachsen, konditionell sowieso. „Nach dem Stahlbad HR bin ich schmerzfrei“, sagt der Radsportexperte, „außerdem radle ich 300 Kilometer in der Woche“. Beste Voraussetzungen also.

(epd)