USA beim Energietrip gestört

■ Abhängigkeit von Importöl kaum verringert / Lateinamerika soll Produktion steigern

Aus Washington Rolf Paasch

Während der Dow-Jones an der New Yorker Börse seit fünf Tagen in den Keller fällt, steigen die Benzinpreise an den Zapfsäulen draußen im Lande in schwindelnde Höhen. Noch einmal 11 Cents auf die Spritrechnung für den gallonenschlürfenden Sechszylinder und seinen kleinen Inner -City-Bruder. Beim nächsten Flug nach Los Angeles gibt's einen Ölpreiszuschlag. Die Verbraucherverbände werfen den Ölkonzernen die skandalöse Ausnützung des Husseinschen Husarenritts nach Kuwait City vor.

Amerika erinnert sich an die bewegten Zeiten der Ölpreisschocks von 1973 und 79, als die US-Bürger schon einmal brutal von ihrem „Energietrip“ heruntergeholt wurden. Was ist, so graben Analysten und Verbraucher in ihrem Gedächtnis, eigentlich aus Präsident Carters Versuch einer etwas verantwortungsvolleren Energiepolitik geworden? Die Antwort ist ernüchternd: Sämtliche Ansätze für einen sparsameren Umgang mit dem öligen Lebenselexier in der fahr -, heiz- und kühlbesessenen US-Gesellschaft sind wie so vieles der Expansionsideologie der Reagan-Administration zum Opfer gefallen. Die 80erJahre haben nicht die von Experten geforderte Energieverbrauchssteuer gebracht, sondern den total befreiten Ölmarkt. Zwar hat sich der Energieverbrauch seit den 70er Jahren leicht verringert, die Abhängigkeit der USA vom Importöl (rund 50%) hat sich jedoch auch nach der Vervierfachung des Ölpreises in den 70er Jahren nicht geändert.

Und die Aussichten auf Veränderung sind gering. Damit sich eine Ausnutzung der in den 70er Jahren stark subventionierten kanadischen Ölexplorationen wieder lohnt, müßte sich der Ölpreis über einen längeren Zeitraum hin auf recht hohem Niveau einpendeln. Venezuela hat eine Steigerung der Produktion um 500.000 Barrel bereits angekündigt - was allerdings weniger als die Hälfte des kuwaitischen Ausstoßes von 1,6 Millionen Barrels, nicht aber die täglich aus dem Irak in die USA importierten 2,8 Millionen Barrels ersetzen würde. Längerfristig könnte am ehesten Mexiko an die Stelle des Iraks treten. Dazu müßten jedoch die USA dem durchaus privatisierungsfreundlichen Präsident Calros Salinas mit technischer Hilfe und Investitionen bei der Auflösung des staatlichen Ölmonopols „Petroleos Mexicanos“ behilflich sein, das trotz seiner höchst ineffizienten Ölausbeutung bereits elf Prozent des US-Rohöls liefert.

Nach der neuerlichen Golfkrise wird sich in den USA auch der Druck auf die Bush-Administration verstärken, neue Bohrungen vor den Küsten Floridas, Kaliforniens und Alaskas zuzulassen. Erst vor kurzem hat aber die Umweltlobby mit der Unterstützung der dortigen Küstenbevölkerung George Bush das Versprechen abgetrotzt, vor der Anfertigung neuer Umweltverträglichkeitsstudien keine neuen Bohrgenehmigungen mehr auszustellen.

Um die sofortigen negativen Auswirkungen des Ölpreisanstiegs zu mildern, fordern einige Stimmen, die in Salzstöcken an der Küste von Louisiana und Texas angelegten staatlichen Ölreserven von 600 Millionen Barrel anzuzapfen, die in den 70er Jahren eigentlich zum Ausgleich eines akuten Ölmangels bestimmt waren.

Jetzt wird mit einer wirtschaftlichen Notlage argumentiert: Ein weiterer Preis- und Inflationsschub könnte die wachstumsunwillige US-Wirtschaft endgültig auf eine Talfahrt schicken.

Um eine solche Rezession zu verhindern, scheinen sich einige Mitglieder der Bush-Administration und des Kongresses schon - beinahe erleichtert - auf ein erneutes Verschieben aller ernsthaften Haushaltskürzungen eingerichtet zu haben. Der sich anbahnende Kompromiß zur Senkung des astronomischen Haushaltsdefizits von schätzungsweise 231 Milliarden Dollar über Einkommenssteuererhöhungen für die Besserverdienenden und eine Energieverbrauchssteuer dürfte nach Husseins Ölpiraterie am Golf kaum noch zustande kommen: 30 Milliarden Dollar jährliche Mehrausgaben kommen auf die US-Bürger zu.