: Neue Gewichtung im Bundesrat?
■ NRW legt Gesetz zur Grundgesetzänderung vor / Position der großen Länder wird gestärkt / Minister Clement hofft auf Zweidrittelmehrheit
Von Walter Jakobs
Düsseldorf (taz) - Der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei, Wolfgang Clement, der am Dienstag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegte, „hofft“, daß der Antrag schon am 24.8. im Bundesrat verabschiedet werden kann. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit scheint möglich, da auch die großen unionsregierten Bundesländer nach Darstellung von Clement der Richtung nach mit dem NRW -Vorschlag übereinstimmen. Fraglich ist aber, ob sich die erforderliche Zweidrittelmehrheit auch im Bundestag finden wird. Um die Finanzen geht es auch beim NRW-Vorschlag. In diesem Zusammenhang meinte Clement allerdings, daß der „Einigungsvertrag vor dem Beitritt der DDR wohl nicht mehr zustande kommt.“ Alle wichtigen Komplexe seien noch völlig ungeklärt.
Nach Art. 51 Abs. 2 hat derzeit jedes Bundesland mindestens 3 Stimmen im Bundesrat. Länder mit mehr als zwei Millionen Einwohnern haben vier, Länder mit mehr als sechs Millionen Einwohnern haben fünf Stimmen. Nach den Vorstellungen von NRW sollen künftig Länder mit mehr als sieben Millionen Einwohnern sechs, Länder mit mehr als zehn Millionen Einwohnern sieben und Länder mit mehr als 15 Millionen Einwohnern ach Stimmen haben. Eine solche Grundgesetzänderung würde für die westdeutschen Länder folgende Stimmenverteilung zur Folge haben: NRW 8 (bisher 5), Bayern 7 (5), Baden-Württemberg und Niedersachsen 6 (beide bisher 5), Hessen, Berlin, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz wie bisher je vier und Saarland, Hamburg und Bremen ebenfalls wie bisher je drei Stimmen. Auf die neuen DDR-Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, und Thüringen entfielen nach diesem Vorschlag jeweils vier Stimmen, auf Mecklenburg-Vorpommern drei Stimmen. Die NRW -Initiative zielt nach den Worten von Clement darauf ab, den vier bevölkerungsstärksten Ländern in der BRD - wie bisher eine Sperrminorität bei Abstimmungen über Grundgesetzänderungen zu verschaffen. Bliebe es bei der derzeitigen Vorschrift, erhielten die kleineren und mittleren Länder im künftigen gesamtdeutschen Bundesstaat eine Zweidrittelmehrheit. Schon vor ein paar Wochen hatte Bayerns Ministerpräsident Streibl (CSU) einen ähnlichen Plan vorgelegt. Länder mit bis zu zwei Millionen Einwohner sollten nach den bayrischen Vorstellungen drei Stimmen, Länder mit bis zu drei Millionen Einwohner vier, mit bis zu fünf Millionen sechs und mit über sieben Millionen Einwohnern sieben Stimmen bekommen. Die unterschiedlichen Einwohnergrenzen haben höchst politische Folgen. Legt man die derzeitigen politischen Mehrheitsverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik zugrunde, dann zeigt sich, daß der bayrische Vorschlag den Einfluß der CDU-regierten Länder deutlich stärken würde. Das heutige Stimmenverhältnis von 27 zu 18 zugunsten der SPD-Länder würde nach dem Bayernmodell vorrausgesetzt es gäbe keinen christdemokratischen Regierungswechsel in Berlin - auf 32 zu 25 schmelzen. Nach dem NRW-Vorschlag fielen demgegenüber 31 Stimmen an die SPD und nur 21 an die CDU-regierten Länder. Deshalb wird das Hick-Hack um die endgültige Stimmenaufteilung auch weitergehen. Der Widerstand der kleineren Länder gegen eine Neuaufteilung scheint zu bröckeln. Wie der Bremer Bürgermeister Wedemeier vor Journalisten mitteilte, ist Bremen „im Prinzip“ bereit, die NRW-Initiative mitzutragen. Im Gegenzug haben die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten aus NRW und Schleswig-Holstein den Bremern offenbar zugesagt, daß eine Neugliederung der Bundesländer damit vom Tisch ist. Saarland, Bremen und Hamburg bleiben also „frei“, haben aber künftig im Bundesrat weniger zu sagen.
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