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DDR: Ökologische Energiewirtschaft hat Zukunft

■ Die Umweltinstitute aus Ost und West legen eine umfassende Studie über die Perspektiven der Energiewirtschaft in der DDR vor / Kommunalisierung der Energieversorgung statt Übernahme durch Westkonzerne / „Einzigartige Ausgangssituation“

Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Es gibt eine ökologisch verträgliche Alternative zur Übernahme der DDR-Energiewirtschaft durch die bundesdeutschen Energiekonzerne. Das ist der Tenor einer umfangreichen Studie ökologisch orientierter Forschungsinstitute aus Ost und West, die gestern in Ost -Berlin vorgestellt wurde. Die Autoren vom Öko-Institut in Freiburg und Darmstadt und vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) in Berlin (Ost) sehen als Träger einer umweltverträglichen Energiestruktur zuerst die Kommunen.

Die „einzigartige Ausgangssituation“ der DDR -Energiewirtschaft mache Weichenstellungen möglich, die nicht automatisch in die starren und wenig effizienten Strukturen des in der BRD praktizierten Monopolsystems münden müßten, erklärte Christian Matthes, der im UfU für den Energiesektor zuständige Fachbereichsleiter. Er gestand ein, daß wegen des verschwenderischen Energieverbrauchs in der DDR, der fast vollständigen Abhängigkeit von der heimischen Braunkohle und eines vorsintflutlichen Kraftwerkparks jede Änderung „bei kurzfristiger Betrachtung einen Fortschritt und eine Entlastung für die Umwelt“ bedeute. Lang- und mittelfristig manövriere man sich jedoch in eine „Sackgasse“, wenn die zwischen den westdeutschen Konzernen RWE, PreußenElektra und Bayernwerk und dem DDR -Umweltministerium im Auftrag der Treuhandstelle ausgehandelten Verträge realisiert würden. Für eine „auch perspektivisch ökologisch verträgliche Umweltpolitik“ schlagen die Öko-Institute in ihrem Gutachten eine klare Hierarchie der notwendigen Maßnahmen vor. Zuerst gelte es die ungeheuren Einsparpotentiale zu mobilisieren; dann gehe es um den „zielgerichteten Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung“, also den Bau kleinerer, effizienter Kraftwerke, die neben Strom auch Raumwärme produzieren; erst an dritter Stelle müsse auch die Rekonstruktion der verrotteten Braunkohlekraftwerke und der Einsatz regenerativer Energiequellen angegangen werden.

Stephan Kohler vom Öko-Institut Freiburg warnte vor Vorstellungen „irgendwelche Marktkräfte könnten die Energie -Einsparpotentiale in der DDR mobilisieren“. Der Energievertrag laufe in seiner zuletzt bekanntgewordenen Fassung vielmehr darauf hinaus, daß „gewinnträchtige Sektoren privatisiert und defizitäre sozialisiert“ würden. Westunternehmen würden so von der Sanierung von Altlasten insbesondere in den Braunkohleregionen und der Übernahme der Altreaktoren in Greifswald und Rheinsberg freigestellt. Kohler betonte, daß die von den Öko-Instituten vorgeschlagene ökologisch verträgliche Energiestruktur den Städten und Gemeinden eine Schlüsselrolle zuweise: „Die Kommunen müssen aktiv werden und bis spätestens 7.September ihr Interesse am Aufbau eigener Stadtwerke und der Übernahme der regionalen Energienetze bei der Treuhandstelle anmelden“, sagte Kohler. Auch er weiß, daß das nicht ohne Westpartner geht. Für die Gebietskörperschaften lohnen sich jedoch nicht die Energiekonzerne sondern kleine und mittlere Technologieanbieter auf dem Energiesektor. Die Möglichkeit für eine kostenlose Übernahme der regionalen Anlagen und Netze hat die Volkskammer in das Anfang Juli verabschiedete Kommunalvermögensgesetz geschrieben. Öko- und UfU-Institut haben bereits im Juni 500 DDR-Kommunen schriftlich auf diese Handlungsmöglichkeiten hingewiesen. Die Resonanz auf die Briefaktion in Städten wie Dresden, Leipzig, Halle und Chemnitz nannte Kohler gestern „erfreulich positiv“.

Michael Sailer, Reaktorexperte vom Öko-Institut in Freiburg, benannte noch einmal die marode Atomwirtschaft in der DDR. Nach dem gültigen BRD-Atomrecht seien alle Anlagen in der DDR nicht mehr genehmigungsfähig, den AKWs in Greifswald und Rheinsberg müßten die Betriebsgenehmigungen entzogen werden. Die Atomwirtschaft habe gewaltige Altlasten hinterlassen habe. So strahlten im Uranabbaugebiet Wismut 800 bis 1.000 Abraumhalden vor sich hin. Das radioaktive Haldenmaterial sei in der Vergangenheit als Baumaterial und Straßenbelag „weiträumig verteilt worden“.

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