: Von „Pharma 150“ zu „Pharma 200“
■ Imhausen-Chemie plante zweite Giftgasfabrik / Achtzig Beamte des BKA filzten dreizehn Imhausen-Objekte / Versickerten bundesdeutsche Forschungsgelder in Rabta?
Aus Lahr Thomas Scheuer
Die berüchtigte südbadische Firma Imhausen-Chemie war möglicherweise auch an der Planung einer zweiten Giftgasfabrik in Libyen unter der Projektbezeichnung „Pharma 200“ beteiligt. Aufgrund entsprechender Verdachtsmomente filzten am Mittwoch rund achtzig Fahnder des Bundeskriminalamtes den Firmensitz der Imhausen-Chemie in Lahr, deren Tochterfirma Galvanoform in Bochum sowie die Privatwohnungen mehrere Firmenmannager. Insgesamt wurden dreizehn Objekte durchsucht.
In einer Razzia-Pause bestätigte Oberstaatsanwalt Peter Wechsung in Lahr der taz, daß die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Mannheim das im Zusammenhang mit der Giftgasfabrik im libyschen Rabta seit Januar 1989 geführte Verfahren auf weitere Tatvorwürfe ausgedehnt hat. Bei der gestrigen Razzia wurden umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. Danach sollen Ende 1988 im Anschluß an Planung und Bau der Giftgasfabrik „Pharma 150“ in Rabta von Imhausen auch Pläne für eine weitere Kampfgasanlage unter dem Titel „Pharma 200“ gefertigt und illegal nach Libyen ausgeführt worden sein. Dabei ist es noch unklar, ob es sich bei dem Projekt „Pharma 200“ um jene Kampfgasanlage in der Wüstenstadt Sheba - 800 Kilometer südlich von Tripolis handelt, die im März auf Grund von Geheimdiensberichten Schlagzeilen machte.
Politisch besonders heikel ist ein weiterer, jetzt neu erhobener Tatvorwurf: Imhausen-Manager sollen nämlich Subventionsgelder des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) zur Finanzierung der Planungsarbeiten für „Pharma 150“ abgezweigt haben. Über ein vom BMFT gefördertes Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Kohleverflüssigung seien auch die Kosten für Mitarbeiter abgerechnet worden, die in Wahrheit mit der Planung der Giftgasanlage in Rabta befaßt waren. Damit hätte Bonn über den Weg von Personalkosten Imhausens Giftgasgeschäfte mit Steuermitteln gesponsert.
„Anhaltspunkte“ für die neuen Vorwürfe, so Oberstaatsanwalt Wechsung gestern zur taz, seien seiner Behörde erst vor wenigen Tagen auf den Tisch geflattert. Über die Quelle der Informationen wollte er sich nicht äußern. Nach Recherchen der taz sprudelte diese in der Schweiz. Vor wenigen Wochen sichteten BKA-Beamte in Bern Kontoauszüge und Firmenunterlagen des Zürcher Imhausen-Ablegers „Inhico“, über den große Teile des Rabta-Beschäftes abgewickelt worden waren.
Im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens hatten schweizerische Fahnder bei der „Inhico“ und deren Hausbank schon im Frühling letzten Jahres rund zwölftausend Blatt Geschäftsunterlagen eingesackt. Deren „Auslieferung“ an die deutschen Behörden wurde jedoch durch einen zähen Rechtsstreik zwischen den schweizerischen Behörden und den Anwälten Imhausens blockiert. Das oberste Bundesgericht der Schweiz gab die Akten just frei, als Ende Juni in Mannheim Rabta-Drahtzieher Jürgen Hippenstiel-Imhausen gerade im zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war.
Jetzt wird die Vehemenz verständlich, die der „Hippis“ Anwälte bis zuletzt versuchten, den Zugriff deutscher Fahnder auf die „Inhico„-Akten abzuwehren. Offensichtlich stießen die BKA-Ermittler dort auf heiße Spuren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen