: US-Bomber in der Türkei eingetroffen
■ Mit der Schließung der Pipelines verliert die Türkei eine wichtige Devisenquelle
Im Luftwaffenstützpunkt Incirlik nahe der türkisch -irakischen Grenze herrscht Hektik und Bewegung. Die türkische Luftwaffe wurde in Alarmbereitschaft versetzt, und ein Teil der türkischen F-16-Bomber, die bislang auf Militärstützpunkten im Westen der Türkei stationiert waren, wurden nach Incirlik verlegt. Wie eine Bombe schlug in der türkischen Öffentlichkeit die Nachricht ein, daß Verbände der US Rapid Deployment Force ebenfalls in Incirlik eintrafen. 14 F-111-Bomber der US-Luftwaffe - jene, mit denen einst die USA Tripolis beschossen - flogen vorgestern den Stützpunkt Incirlik an.
„Die kritischen Tage für die Türkei“, titelte die Tageszeitung 'günes‘ ihre gestrige Ausgabe. Nachdem das türkische Kabinett am Dienstag entschied, die Boykottmaßnahmen des UN-Sicherheitsrates gegen den Irak mitzutragen, macht sich in Ankara Nervosität breit. Die beiden Pipelines zwischen dem irakischen Kirkuk und dem türkischen Mittelmeerhafen Yumutalik - nach dem Beschluß des türkischen Kabinetts, sich dem Boykott der Vereinten Nationen anzuschließen, stillgelegt - beförderten täglich 1,6 Millionen Barrel Öl: Die Hälfte der irakischen Ölproduktion. Der türkische Boykott trifft neben dem saudi -arabischen Boykott den Irak am härtesten. Doch er kommt auch die Türkei teuer zu stehen. Die Pipeline stellte ein attraktive Deviseneinnahmequelle für die Türkei dar. Seit Jahren sind zahlreiche türkische Bau- und Speditionsfirmen im Irak-Geschäft tätig. Und nicht zuallerletzt bezieht die Türkei rund die Hälfte ihrer Erdölimporte aus dem Irak. „Der Boykott kostet die Türkei zwei Milliarden US-Dollar“, klagte der türkische Staatspräsident Özal.
Die Oppositionsparteien mahnen die Regierung, sich nicht auf Abenteuer einzulassen. „Die Türkei ist nicht der Gendarmerieposten in der Region“, warnte der Generalsekretär der „Sozialdemokratischen Volkspartei“, Deniz Baykal. Auch der konservative Oppositionsführer Süleyman Demirel riet zur Vorsicht: „Wir sollten nicht den Helden spielen.“ In der Türkei machen sich Befürchtungen breit, daß die Regierung gegebenenfalls einen US-Angriff auf irakische Ziele von türkischem Boden aus dulden könne. Der Luftwaffenstützpunkt Incirlik soll nach türkischem Verständnis nur im Rahmen des Nato-Bündnisses genutzt werden. Wenn die USA von Incirlik aus militärisch intervenieren, müßten sie die Erlaubnis der Türkei einholen. Der US-Außenminister Baker trifft heute in der türkischen Hauptstadt Ankara ein, um Özal zu trefen.
Özal ist beunruhigt über die Möglichkeit einer militärischen Expedition. Dazu befragt, ob sich die Nato an einer militärischen Intervention beteiligen solle, antwortete er: „Ich hoffe, daß die Nato nicht die Initiative ergreift. Ich hoffe, daß der Boykott der Vereinten Nationen Wirkung zeigt und sich der Irak aus Kuwait zurückzieht.“ Die Entscheidung der Türkei, den Boykott des Sicherheitsrates mitzutragen, hat bereits viel Kraft gekostet. Eine Verwicklung der Türkei in militärische Auseinandersetzungen in der ohnehin politisch unstabilen Region ist das allerletzte, was sich türkische Politiker wünschen. „Wir haben erklärt, daß wir uns an den Beschluß der UN halten werden. Sie sollten uns nicht weiter drängen“, sagte Özal nach einer außerordentlichen Sitzung des türkischen Kabinetts.
Ömer Erzeren
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