Der einzig wahre Weltmeister

■ Anpfiff zur 28. Bundesligasaison: Borussia Dortmund - VfB Stuttgart 0:3 / Drei Tore von Fritz Walter

Aus Dortmund Ernst Thoman

Borussen-Willi lief ständig an den Drahtzaun: „Jawoll, Jungs, weiter, jawoll, wunderbar.“ Unerhört, was Willi seinen in schrillgelbe Neonfarben getünchten Jungs zurief. Kaum jemand der 40.000 Dortmunder wollte noch hinsehen. Aber Willi, mit brauner Trainingshose, schwarz-gelbem Borussentrikot und Tirolerhut, antwortete auf die Frage nach seiner Befindlichkeit angesichts des Dortmunder Jammerspiels, daß ihm Bandscheibe und Knie schwer zu schaffen machten, schließlich sei er jetzt siebzig. Und dann rannte Willi wieder an den Zaun. Nur noch drei Minuten, der VfB Stuttgart führte 3:0 im Westfalenstadion. Die 28. Bundesligasaison verbuchte bei ihrem Auftakt die erste Überraschung.

Wer allerdings die Stadionzeitung genau gelesen hatte, las die neunzig Minuten in der Dortmunder Fußball-Oper wie ein Drehbuch. Im „Borussen-Magazin“ stand, daß die Stuttgarter als einziger Bundesligist zwei große Italiener präsentieren, den echten Weltmeister Guido Buchwald und einen echten Vize -Weltmeister, den Argentinier Horacio Basualdo. Dortmund konnte da nur äußerst schwach kontern. Stürmerfloh Frank Mill („Wer mich Weltmeister nennt, den erkläre ich für bescheuert.“) saß beim Teamchef nur auf Bank oder Tribüne. Am Mittwoch durfte er nach einer Halbzeit duschen.

Ein weiterer echter Weltmeister kommentierte hernach beide Hälften. Hans-Hubert Vogts, unser Berti vom Bökelberg, einst Wadenbeißer, Weltmeister 1974, heute Bundestrainer mit Lizenz, meinte: „Stuttgart ist erheblich weiter als die Borussen. Selbst gegen die Höhe des Sieges ist nichts einzuwenden.“

Weil bei den Mannen von Trainer Willi Entenmann, diesem Musterschwaben mit lauter Einser-Examen im Lehrerstudium und Fußballehrerdiplom, eben ein einzig wahrer Weltmeister spielt: Fritz Walter. Der Namen ist Legende, Weltmeister schon 1954 in Bern, in Kaiserslautern wurde das Stadion nach ihm benannt, er ist Ehrenspielführer der Nationalelf. Fritz Walter, dieser Name hat was. Nicht verwandt und nicht verschwägert mit dem alten Fritz, sprach Walter jun. glücklich verschwitzt: „Wir hätten höher gewinnen können. Aber wir sind mit dem 3:0 zufrieden.“

Nach 38 Minuten machte der aktuelle Torschützenkönig der Liga sein erstes Tor aus der ersten Chance. Mit Simpelpässen wurde die raumdeckende BVB-Abwehr geneckt. Fritz Walter hob zum ersten über den herauslaufenden de Beer im Tor hinweg. Mit dem Pausenpfiff kam Fritz Walter zum zweiten. Da irrte der Dortmunder Keeper wie eine Suchanzeige im eigenen Strafraum herum, der Ball war schwer zu finden. Kein Zeitungsblatt paßte bei dem erneut gehobenen Schlenzer zwischen Querbalken und Lederkugel. Bei seinem dritten Treffer, zwölf Minuten vor dem Ende, trieb es die Besucher ad hoc und zu Zehntausenden heimwärts. Guido Buchwald schob nach innen, Fritz Walter, dieser einzig wahre Weltmeister vom Mittwoch, schob vollendet ins Netz. Vorleger Buchwald meinte allerdings: „Der ganze VfB war heute abend Weltmeister.“

Sicher auch Wiggerl Kögl bei seinem ersten Auftritt für die Schwaben. Ganz sicher der Dresdener Matthias Sammer bei seinem Debüt in der Scheinwelt Bundesliga. „Ich bin Realo, die Saison ist lang“, meinte der Rotschopf, und er meinte auch, daß Stuttgart jetzt seine Heimat sei. Heimweh verspüre er nicht.

Solche Worte vernahm der Herr Minister gern. Gerhard Mayer -Vorfelder, zuständig für Kultur im Ländle, herzte im Flutlicht seine Tabellenführer. Der Präsident des VfB ließ sich richtig gehen, als er lauter verschwitzte Leiber an sein fein kariertes Jacket drückte.

Bei den Dortmundern bekam nur Manager Michael Meier den Mund auf. „Du Schweinehund“, gab er dem einzig wahren Fritz Walter mit auf den Weg. Und Borussen-Willi meinte, daß seine Dortmunder niemals untergehen würden. So wird auch in der neuen Saison vieles, ja fast alles beim alten bleiben.

DORTMUND: de Beer - Helmer - Kutowski, Nikolic (67. Wegmann), Schulz - Lusch, Zorc, Franck, MacLeod - Povlsen, Mill (46. Driller)

STUTTGART: Immel - Allgöwer - Hartmann, Buchwald - Schnalke, Basualdo, Sammer, Gaudino (85. Strehmel), Frontzeck - Walter (79. Kramny), Kögl