Amnestie zur Wiedervereinigung

■ Hessische Gefangene wollen mit einer Petition Amnestie erreichen / Eine Unterschriftenaktion läuft landesweit

Frankfurt/Main (taz)- Mit einer Petition an den hessischen Landtag will die neugegründete Gefangenenselbsthilfegruppe „Phoenix - Verein für Sozialhilfe“ mit Sitz in Kassel eine „Amnestie zur Wiedervereinigung“ erreichen. Die hessische Landesregierung wird gebeten, im Bundesrat ein Amnestiegesetz einzubringen, durch das die gerichtlich verhängenden Strafen im Gnadeweg halbiert werden. Für die Petition werden nun landesweit Unterschriften in den Haftanstalten gesammelt. Am 15. September sollen sie überreicht werden.

Mit der „Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit mit Zustimmung derer, die von den beiden Weltkriegen neben uns am meisten betroffen waren“, so Phoenix, sei das defenitive Ende des Kalten Krieges gekommen. Dem Friedensschluß nach außen müsse zwingend auch ein Friedensangebot nach innen folgen. Das habe auch die Menschen einzuschließen, die von bundesrepublikanischen Gerichten verurteilt wurden. Denn: „Frieden muß unteilbar sein.“ Ausgegrenzte Menschen, wie die Gefangenen, sollen wieder in die Gesellschaft aufgenommen werden. Die Bundesrepublik stünde ohnehin mit dem Anteil der Inhaftierten an der Gesamtbevölkerung und deren Verweildauer mit an der Spitze Europas.

Bereits in der vergangenen Woche hatte die Berliner Justizsenatorin Limbach ein „allgemeines Amnestiegesetz“ und eine Amnestie am Tag der Vereinigung gefordert. Gegenüber der taz hatte sie erklärt, daß nicht nur in der DDR, sondern auch in der Bundesrepublik Vergangenheit zu bewältigen sei, daß „politische Aufräumaktionen“ anstünden. Während Hessen und Schleswig-Holstein die Berliner Vorschläge prüfen wollen, lehnte Bayern eine Amnestie für Kriegsdienstverweigerer, Volkszählungsgegner und Blockadeteilnehmer ebenso kategorisch ab wie eine Amnestie im Bereich des „Werbens für eine terroistische Vereinigung“ als Geste der Versöhnung.

M.B.