Alarmierende Dioxinfunde in der DDR

■ Verseuchung auf landwirtschaftlichen Flächen stellt weiteren Anbau in Frage

Berlin (taz) - „Hochgradige Belastungen“ mit Dioxin, dem stärksten bekannten Gift, sind jetzt auf landwirtschaftlichen Flächen in der DDR gemessen worden. Die Folgen sind dramatisch: Wie die Westberliner Umweltsenatorin Michaele Schreyer und der Stadtrat für Umwelt des Magistrats in Ost-Berlin gestern mitteilten „besteht der Verdacht, daß der landwirtschaftlich genutzte Boden in der DDR an vielen Stellen für den Nahrungsmittelanbau nicht mehr geeignet ist“.

Die alarmierenden Dioxin-Konzentrationen wurden bei Bodenproben von der ITU-Forschungsgesellschaft auf einem benachbarten Feld der Deponie Schwanebeck gemessen. Mit etwa 100 ppt ist die Dioxinverseuchung fast 20mal so hoch wie der vom Bundesgesundheitsamt empfohlene Grenzwert für die landwirtschaftliche Nutzung. Die ITU-Wissenschaftler haben sich deshalb dafür ausgesprochen, das betroffene Gebiet für den Anbau von Nahrungsmitteln zu sperren.

Interessant ist die Ursachenforschung der Dioxin-Fahnder. Der erhöhte Gehalt an Dioxin weise ein Verteilungsmuster auf, das typisch sei für Chlorphenole. Deshalb glauben die ITU-Experten, daß die Giftbelastung nicht durch die Brände auf der angrenzenden Deponie, sondern durch den Einsatz von chlorphenolhaltigen Pestiziden verursacht wurden. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß in benachbarten Gärten nur sehr geringe Dioxinwerte ermittelt wurden. Folgt man der Logik der Wissenschaftler, ergeben sich erhebliche Folgen für die gesamte DDR-Landwirtschaft. Nach Informationen der Westberliner Senatsverwaltung für Umweltschutz werden nämlich in vielen Gebieten der DDR noch stark dioxinhaltige Pflanzen-„Schutzmittel“ eingesetzt.

In einer ersten Reaktion haben deshalb Umweltsenatorin Schreyer und ihr Ostberliner Kollege Holger Brandt DDR -Umweltminister Steinberg aufgefordert, ein umgehendes Produktions- und Anwendungsverbot für dioxinhaltige Pestizide auszusprechen.

Dies wäre ein erster Schritt für die DDR, um aus der schädlichen Chlorchemie auszusteigen, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung von Senat und Magistrat. Weiter heißt es darin: Der ungebremste weitere Einsatz dieser Agrargifte „schafft die Altlasten der Zukunft“.

-man