Wolken und Migränen

■ Was das typisch norddeutsche Sommerwetter mit der Gesundheit macht

Zum Beispiel gestern beim ersten verschlafenen Blick durchs Fenster. Da war es gleich wieder voll da, das „typische norddeutsche Sommerwetter“. Graue Wolken allüberall, nirgends schimmerte ein blaues Fleckchen Himmel durch. „Wie unter einer Dunstglocke“, ärgerte sich G. Sie war mit Kopfschmerzen aufgewacht.

„Westwetterlage“ nennt der diensthabende Meteorologe im Bremer Wetteramt am Flughafendamm, Günther Fleischhauer, ganz emotionslos den gestrigen Zustand am Himmel und darunter. Fachmännisch führt er aus: „Mit einer westlichen Strömung wird wolkenreiche Atlantikluft herangeführt. Dementsprechend ist es überwiegend stark bewölkt.“

War das „typische norddeutsche Sommerwetter“ denn auch in der Vergangenheit schon so trist? „Seit Jahrtausenden“, sagt der diensthabende Meteorologe voller Selbstverständlichkeit und dämpft alle Klima-Verschlechterungsängste: „Wir leben in den gemäßigten Breiten. Und in Nordseenähe sind die Wolkenstreifen besonders häufig.“

Aber G.s Kopfschmerzen nach dem Aufwachen, B.s Antriebslosigkeit und Bleischwere gestern - hat das nichts mit diesem grauen Wolkendeckel zu tun? Ist das nur Einbildung? Eine rein psychologische Angelegenheit? Der Bremer Meteorologe verweist auf eine Kollegin in Essen.

Und die dortige Medizinmeteorologin Gunild Scheid, eine Expertin für den gesamten nordwestdeutschen Raum, zählt routiniert Zusammenhänge auf: „Die Tiefausläufer, die den bedeckten Himmel verursachen, bewirken bei wetterfühligen Personen, daß es zu Kopfschmerzen und Migräne kommen kann. Auch depressive Verstimmungen treten häufig auf. Herz- und kreislaufempfindliche Personen und Personen mit Neigung zu Verkrampfungen, wie Gallenkoliken, Magen- und Darmkrämpfen, können unter Beschwerden leiden. Das läßt sich rein meßtechnisch oder durch Laboruntersuchungen nachweisen.“

War es denn schon immer so, daß die norddeutschen TiefebenenbewohnerInnen über Wetter-Beschwerden klagten? „Das hat es eh und jeh gegeben. Das kennen wir aus der Literatur schon von den Griechen, schon aus der Zeit vor Christi Geburt. Aber heute betrifft das mehr Personen als früher.“ Warum? „Die Menschen früher waren dem Wetter mehr ausgesetzt als heute. Ihr Organismus hat den Anpassungsvorgang ständig trainiert“, weiß die Medizinmeteorologin und erklärt: „Der gesunde Mensch heute reguliert das auch. Aber der kranke oder sehr wetterfühlige Mensch hat Probleme, da hinterherzukommen“.

Für heute, Samstag, und den Rest des Wochenendes steht nicht nur den Wetterfühligen zum Trost - eine „Auflockerung bis zum sonnigen Wetter“ bevor. Für Sonntag sagt das Bremer Wetteramt Temperaturen von 25 bis 30 Grad voraus. Doch die Medizinmeteorologin hat wieder einen Dämpfer für die Sommerwetter-Freude parat: „Für Menschen mit niedrigem Blutdruck ist Wärmebelastung und Schwüle auch nicht ideal.“

Barbara Debus