Mit der Sonne im Tank bis nach Berlin

■ Gestern erreichte die Solarmobil-Ralley auf ihrer Fahrt von Hamburg durch die DDR Berlin / Dann durchquerten die 47 Solarmobile die City / Heute Tauglichkeitsprüfung am Tempodrom

Berlin. Nanu, was war das? Die Wartenden an der Bushaltestelle an der Heerstraße senkten den Blick um mehr als einen Meter und sahen auf eine Art Flunder mit Überdach, die fast lautlos vor ihre Füße gerollt war. Eine Tür mit der Aufschrift „Startnummer 4“ öffnete sich, ein Fahrer entstieg und überprüfte die Reifen, die von einem Kinderfahrrad zu stammen schienen, dann schnurrte das Gefährt wieder in Richtung City davon. Sven Knudsen aus Dänemark war das mit seinem Solarrenner, einer von 47 Teilnehmern des Solar Mobil Clubs, deren Weg auf der letzten Etappe quer durch Berlin führte. Die Solarmobile, vom futuristischen Flitzer bis zum Solar-Kleinlaster, demonstrierten gestern, daß der Freitagnachmittag in Berlin weniger qualvoll für Ohren, Lunge und Nerven sein könnte - wenn nur die restlichen Autofahrer die Sonne als Kraftstoff entdecken würden.

Aufgetankt für die letzte Etappe hatten die Ralley -Teilnehmer in Staaken (Kreis Nauen), wo die alltagstauglichen Solarautos (im Gegensatz zu den Rennautos, die ihre Solarzellen mit sich führen) an die Steckdose mußten. „Netzverbund“ heißt das Prinzip der „sauberen“ Energieversorgung: der Strom, der hier entnommen wurde, mußte an anderer Stelle von Solaranlagen wieder in das Stromnetz eingespeist werden. „Solartankwart“ Frank Lehnert rechnete anhand der Globalstrahlung aus, wieviel Energie jedes Auto tanken durfte. Wer mehr haben wollte, bekam Strafpunkte.

Einer der Berliner Fahrer, Karl-Heinz Schuhmann, fährt schon seit 1983 mit seiner „Stadtkarre„; der umgebaute Golfplatz-Car bringt es auf eine Spitzengeschwindigkeit von 25km/h und dient als Lieferfahrzeug im Diakoniezentrum Heiligensee. Vom Basteltisch auf die Straße kam auch das Rennmobil von Uwe Stich und Rainer Magenreuther. Das Cockpit eines Segelflugzeuges, die Felgen eines Mountain-Bikes und eine Motorradhandbremse ergeben zusammen mit vier Quadratmetern Kollektorfläche eine Spitzengeschwindigkeit von 120 Kilometern in der Stunde. Eberhard Heinig, einziger Fahrer aus Ost-Berlin, nimmt für seinen umgebauten Trabi in Anspruch, „das einzige saubere Auto zu sein, das täglich in der DDR fährt“. „Ich will damit zeigen, wozu zwei Millionen Trabis noch nützlich sein könnten. Als Stadtmobil wären sie eine echte Alternative.“ Die Umbaukosten von etwa 10.000 DM übernahm eine Elektrofirma.

Doch bis die Solarautos in Serie produziert werden, wird noch viel Kohlendioxid durch den Auspuff strömen. Die Route der Solar-Ralley quer durch die DDR war auch eine Suche nach zukünftigen Produktionsstätten. Gotthard Schulte-Tigges vom Berliner „Verein zur Förderung der Solarenergie“ hat bereits Gespräche mit möglichen Geldgebern, darunter der Ökobank, aufgenommen. Bei den Pneumatwerken in Staaken, der letzten Station vor Berlin, wurde geprüft, ob der kunststoffverarbeitende Betrieb, der kurz vor der Pleite steht, nicht eine Produktionsstätte für das Modell „Stromboli“ sein könnte, ein Zweisitzer, der bereits serienreif ist. „In Westdeutschland haben wir zu starken Gegenwind von der Autolobby.“ Bei der Fahrt durch die DDR waren zumindest die BeobachterInnen am Straßenrand begeistert, in Wittenberge lud der örtliche Motorsportclub sogar zu einem Geschicklichkeitsturnier ein.

Während andere Städte wie München oder Lübeck bereits laut darüber nachdenken, die Innenstädte für Verbrennungsmotoren zu sperren, ist das Interesse des Berliner Senats zurückhaltend (der is ja auch rot-grün. sezza) Ganze 5.000DM Preisgeld ist ihm die Werbung für saubere Berliner Luft wert. „Wissenschaftlich noch umstritten“ ist das Argument gegen die Förderung des umweltfreundlichen Individualverkehrs. Wie alltagstauglich die Solarmobile sind, werden sie heute nachmittag beweisen, wenn bei der Tauglichkeitsprüfung am Tempodrom Wendekreis und Ladekapazität getestet werden, ein Kantstein überfahren und eine Dusche durchquert werden muß.

Heute werden sich die Solarmobile außerdem bei einer Stadtrundfahrt präsentieren. Daß sie berlintauglich sind, hat sich schon gestern gezeigt, als auch das letzte Solarmobil seinen Weg durch den Feierabendverkehr zum Tempodrom fand.

Claudia Haas