Ab ins Finanzloch

■ Arithmetik am Rande des Abgrunds

KOMMENTAR

In der schon vertrauten staatsmännisch-jovialen Pose trat der Ostberliner Oberbürgermeister Tino Schwierzina gestern vor die Presse und erklärte, Ost-Berlin könne ehrlich und mit erhobenem Haupte in die Vereinigung gehen. Der Grund für seine stolz-geschwellte Brust war die Vorlage des Ostberliner Haushaltes für die zweite Jahreshälfte, die der Magistrat in stundenlangen Beratungen erarbeitet hatte. Mit diesem Haushalt segelt Ost-Berlin „erhobenen Hauptes“ ins Finanzloch. 90 Prozent der gut 3 Milliarden DM sollen von der Regierung der DDR kommen - selbst zu SED-Zeiten flossen nur 70 Prozent des Hauptstadt-Etats aus der Zentrale. Daß die Zuwendungen in Höhe von fast 3 Milliarden DM aus dem DDR -Haushalt „so gut wie sicher“ sind, kann angesichts der ständigen Nachforderungen der DDR-Regierung in Richtung Bonn nur als fromme Lüge durchgehen. Der Hiobsbotschaften nicht genug: Bonn denkt wieder einmal daran, die Bundeshilfe zum Westberliner Haushalt zu streichen. Das Szenario kann nur als schlechter Witz gelten: Ost-Berlin hängt zu fast 100 Prozent am Tropf der Zentralregierung, West-Berlin immerhin zur Hälfte. Über die Motive in Bonn, solche Gerüchte zu streuen, kann nur spekuliert werden: Rache für das HMI, Mobilisierung der endgültigen Anti-Hauptstadt-Kampagne... Die Kosten der Vereinigung schlagen über ihren Machern zusammen.

Kordula Doerfler