Für einen Wirtschaftsboykott Iraks

■ Deutschland als zivile Weltmacht am Golf: Besser Embargo als Militärintervention

GASTKOMMENTARE

Die Golfkrise trifft die Bundesrepublik an einem heiklen Punkt ihres Rollenwechsels. Die alte Arbeitsteilung zwischen den USA und der BRD bei internationalen Konflikten geht nicht mehr - „die Amis fürs Gröbste“ und wir als ökonomische Bewährungshelfer. Jetzt aber sind die Deutschen erstens eine Weltmacht wie die USA auch und zweitens durch 40 Jahre Demokratie und die demokratische Revolution in der DDR vor der Geschichte und gegenüber der Weltöffentlichkeit normalisiert. Es gibt also von der internationalen Rolle her keine Gründe mehr für eine US-amerikanische Intervention in Nahost, die nicht gleichzeitig auch für eine deutsche Beteiligung sprächen. Es reicht auch für die pazifistische Opposition in der BRD nicht mehr, mit bloß hehren Argumenten pazifistischer Unschuld über die Anforderungen an eine Weltmacht hinwegzugehen. Zu reden ist also nur noch über die sachlichen Gründe, die gegen jede westliche Intervention in Nahost sprechen.

Es geht nicht nur ums Öl. Folglich reicht der richtige Einwand gegen imperialistische Argumente nicht, daß der Besitz von Öl den Besitz des Selbstbestimmungsrechts nicht einschränken kann. Denn es geht genauso um arabischen Nationalstolz und islamischen Glauben. Genau aus diesem Grund ist eine westliche militärische Intervention kurzfristig zweifelhaft, mittelfristig fatal. Je mehr der Westen militärisch eingreift, desto stärker wird der panarabische und der panislamische Gegenreflex sein. Das heißt konket: Der Iran wird sich um so schneller dem Irak an die Seite stellen, je mehr der „große Satan“ und seine Freunde militärisch eingreifen. Zu einer Militarisierung des Konflikts zwischen Islam und Aufklärung darf es nicht kommen. Trotzdem müssen auch wir Deutschen etwas gegen die Invasion der Iraker tun. Und es ist eine entscheidende Frage für die künftige Rolle Deutschlands in der Weltpolitik, ob wir jetzt zur Militarisierung oder zur Entmilitarisierung internationaler Konflikte beitragen. Der ganze Westen steht nämlich vor der Alternative: Wirtschaftsembargo oder militärische Intervention. Und die geringe Bereitschaft, dauerhaft und wirkungsvoll das zivile Mittel der ökonomischen Macht einzusetzen, ist unmittelbar gekoppelt an die große Bereitschaft zum Militärischen. Ein Wirtschaftsboykott wird uns wehtun. Das müssen wir in Kauf nehmen. Tun wir es nicht - wegen Wohlstandsfixierung und Wachstumswahn - dann handeln wir uns nicht nur eine Militarisierung des Konflikts zwischen dem Westen und dem Islam ein, sondern geben auch der fundamental-islamischen Verachtung uns gegenüber neue Nahrung.

Bernd Ulrich