Schröder um Selbstprüfung gebeten

■ Ibrahim Böhme antwortet auf die Vorwürfe des Fraktionschefs

INTERVIEW

taz: Herr Böhme, Ihre Entscheidung, sich bei der Volkskammerabstimmung zum Wahlgesetz der Stimme zu enthalten, hat Fraktionschef Schröder in der 'Bild'-Zeitung zu heftigen Angriffen gegen Ihre Person genutzt. Warum haben Sie sich der Stimme enthalten?

Ibrahim Böhme: Ich hatte von Anfang an Probleme mit der Einführung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel auf dem Gebiet der DDR, insbesondere, weil meine Freunde aus den Bürgerbewegungen davon betroffen sind. Ich hatte mich aber unter der Voraussetzung, daß Abgeordneten aus dem Bündnis 90 faire Listenplätze von der SPD angeboten werden, zu einer Zustimmung durchgerungen.

Dann aber zeigte es sich vor der Abstimmung, daß hochrangige parlamentarische Vertreter eine angesetzte Pause dazu nutzten, die zur Mehrheit fehlenden Abgeordneten herbeizutelefonieren oder mit Autos abzuholen. Das erschien uns spontan als ein solch undemokratisches Procedere, daß wir uns entgegen unserer vorherigen Fraktionsvereinbarung der Stimme enthielten.

Herr Schröder hat Sie deswegen ein „parlamentarisches Sicherheitsrisiko“ genannt.

Wenn Herr Schröder damit zum Ausdruck bringen will, daß parlamentarische Demokratie nur unter Ausübung von Fraktionszwang - auch gegen das Gewissen einzelner Abgeordneter - funktionieren kann, dann hat er recht. Dann trage ich die Charakterisierung als „parlamentarisches Sicherheitsrisiko“ gerne.

Ein weiterer Verwurf richtet sich gegen ihr Verhältnis zur PDS. Kokettieren Sie mit der PDS?

Ich kokettiere ebensowenig mit der PDS, wie ich mit der CDU kokettiere. Aber die PDS entwickelt sich in dem Maße, in dem sie das unrechtmäßig angeeignete Vermögen dem Volk der DDR zurückerstattet und in dem Maße, in dem sie sich von den durch Korruption und Rechtsbeugung belasteten Altkadern trennt, zu einer demokratischen Kraft links von der SPD. Gegen die werde ich argumentativ auftreten. Niemand hat das Recht, diese Kraft zu verbieten.

Befürchten Sie, daß die Fraktionsspitze mit Sanktionen antworten wird?

Ich werde mich gerne einem Ausschlußverfahren der Schiedskommision stellen. Da gebe ich Herrn Schröder allerdings wenig Chancen. Wer mit Ausschlußverfahren droht, sollte im übrigen immer sehr sorgfältig prüfen, ob er nicht selbst Grundsatzaussagen, etwa des Leipziger Parteitages, verlassen hat.

Wie hat denn die Fraktion auf Ihre Enthaltung reagiert?

Ich glaube, daß die Fraktion unsere Entscheidung derzeit mehrheitlich mißbilligt.

Interview: Mathias Geis