Lebende Müllcontainer

Die Abfallwiederverwertung ist eine notwendige und höchst lobenswerte Sache. Schon im alten Rom wurde recycelt. Eine Untersuchung der Ladung eines römischen Frachtschiffes aus dem 2. oder 3. Jahrhundert n.Chr., das 1986 vor Grado im Golf von Triest entdeckt worden war, ergab, daß schon damals die Technik des Glas-Recycling bekannt war. Die Schiffsladung enthielt u.a. einen Behälter mit einer großen Anzahl von Glasscherben, die stark zusammengepreßt waren. Die Meeresarchäologen gehen davon aus, daß die aus einer Glasfabrik stammenden Bruchstücke zur Einschmelzung und Wiederverwertung bestimmt waren. Heute wird beim Recycling natürlich

mit den modernsten Methoden gearbeitet. In den USA z.B., wo die Sonntagszeitung oft über ein Kilo wiegt, sind die Farmer auf eine famose Idee gekommen, wie diese Papiermassen recycelt werden können: Sie verfüttern sie an ihre Kühe!

Wissenschaftler der Cornell-Universität im Bundesstaat New York haben gerade eine Studie über diese Praxis fertiggestellt. Sie gingen der Frage nach, ob die Versorgung der Wiederkäuer mit Lesestoff nicht schädlich ist. Ihre Schlußfolgerungen sind noch recht vorsichtig. Zwar haben sie nichts Gefährliches für die Kühe oder die Milchkonsumenten festgestellt, sie mochten diese Papierentsorgung aber nicht allgemein empfehlen, denn es gebe sehr viele Sorten Druckerschwärze, die eigentlich allesamt eine nach der anderen untersucht werden müßten, um die Mor

genzeitung als Kuhmahlzeit freizugeben.

Da die Rinderexperten wußten, daß die Milchproduzenten die Gewohnheit haben, ihre Futterkrippen anzuknabbern, mischten sie unter das Viehfutter einige Seiten 'USA-To

day‘, ein Blatt, das auf seinen Seiten mit Farbe nicht knausert. Als Alternativ-Frühstücksbeimischung gab's noch etwas 'Ithaca Journal‘, die Lokalzeitung der kleinen Universitätsstadt, in der die Wissenschaftler arbeiten. Keinerlei schädliche Substanz konnte in so großer Menge festgestellt werden, als daß sie hätte gefährlich sein können - weder in der Milch noch in den Kühen. Klüger wurden die Tiere allerdings auch nicht. Die Forscher glauben, daß grundsätzlich 60 Prozent der Veröffentlichungen eines Staates wie New York von Kühen verputzt werden könnten. Das hört sich doch alles sehr gut an. Irgend jemand müßte unseren Städte- und Gemeindeverwaltungen mal einen Tip geben, damit sie ihre Papiercontainer ab- und eine paar Holsteiner Rinder mit gutem Appetit anschaffen.

Karl Wegmann