Araber gegen neokoloniale Einmischung

■ Ergebnisse brachte das arabische Gipfeltreffen, das gestern begann, bisher keine. Die 22 arabischen Staaten sind sich nur in einem einig: Die Krise am Golf muß von den Staaten der Region gelöst werden.

Gipfel in Kairo

Am Anfang des für Donnerstag nach Kairo einberufenen Dringlichkeitsgipfels zur Lage am Golf stand, wie so oft in der Geschichte der Arabischen Liga, eine Vertagung. Der Beginn müsse auf Freitag verschoben werden, hieß es am Donnerstag abend, da die Vetreter Dschibutis, Mauretaniens und des Vereinigten Jemen noch nicht eingetroffen seien. Außerdem wolle man den anwesenden Führern Gelegenheit zu Beratungen geben. Diese Begründung war freilich nur ein Vorwand. Denn die beiden irakischen Gesandten, der stellvertretende Ministerpräsident Taha Ramadan und Außenminister Tarik Aziz, hatten sich einfach geweigert, an einem Tisch mit dem von ihnen verjagten kuwaitischen Emir Dschabir al-Ahmed as-Sabah Platz zu nehmen.

Der Gipfel wurde schließlich gestern mittag eröffnet, außer Tunesien nehmen alle Mitglieder der Arabischen Liga teil. Ein ägyptisches Arbeitspapier macht ehrgeizige Zielvorgaben: Gefordet wird der vollständige Abzug aller irakischen Truppen von kuwaitischem Territorium und die Wiedereinsetzung des gestürzten kuwaitischen Regierungsclans der as-Sabah. Zudem sieht das Papier nach Angaben der Kairoer Tageszeitung 'Al-Ahram‘ die Bildung einer „arabischen Friedenstruppe“ vor. Der Irak und Kuwait sollen darüber hinaus sofort mit Verhandlungen über die Kernpunkte des Konflikts beginnen. Auf dem Verhandlungsweg solle eine endgültige Regelung des Grenzverlaufs zwischen beiden Ländern gefunden werden. Über Entschädigungszahlungen für das von Kuwait auf irakischem Territorium geförderte Öl sollen sich die Kontrahenten ebenfalls verständigen. Auch müsse die Frage einer Senkung oder gar eines vollständigen Erlasses der Schulden geklärt werden, die der Irak während des Golfkriegs bei Kuwait anhäufte.

Gastgeber Mubarak, der die Eröffnungsrede hielt, mochte mit seiner Verurteilung des irakischen Überfalls nicht hinter dem Berg halten. „Es geht nicht an“, meinte der Ägypter mit Hinweis auf die Prinzipien der Arabischen Liga, „daß ein Bruderland gegen ein anderes militärisch vorgeht. Das Schicksal Kuwaits muß wieder in kuwaitische Hände gelegt werden.“ Das war deutlich, auch wenn der ägyptische Präsident dabei den Namen as-Sabah vermied.

Der Iraker Taha Ramadan hatte dagegen schon im Vorfeld versucht, der unangenehmen Gipfel-Debatte eine andere Stoßrichtung zu geben: „Wir müssen hier über die amerikanische Aggression reden.“ Dieser Meinung mochten sich die anderen Gipfel-Teilnehmer allerdings nicht anschließen. Kaum einer der arabischen Führer dürfte ernsthaft an ein irakisches Einlenken glauben.

Neokoloniale Hilfe gegen arabische Krise?

Aber in den Forderungen, wie sie in dem vorab veröffentlichten ägyptischen Arbeitspapier festgehalten sind, sehen die weitaus meisten Liga-Mitglieder die einzige und letzte Chance, die Gefahr einer ausländischen Intervention von unabsehbarer Dauer auf arabischem Teritorium zu bannen. Denn eine solche, so die vorherrschende arabische Meinung, würde nur einmal mehr die Unfähigkeit der Araber bei der Meisterung politischer und militärischer Krisen aufzeigen. Besonders die saudischen Prinzen, die die Vereinigten Staaten um Beistand baten, stünden in diesem Falle als politische Verlierer da, unfähig, ihre ureigensten Angelegenheiten ohne „neokoloniale Hilfestellung“ bewältigen zu können.

Vor allem Mubarak und der saudische König Fahd werden darum alles daran setzten, daß die Forderungen in der vorgeschlagenen oder zumindest in ähnlicher Form von den Mitgliedern der Arabischen Liga mitgetragen werden. Zögerlichkeiten gibt es im Moment bei Jordanien, Libyen und dem Vereinigten Jemen. Lenkt Saddam Hussein nicht ein, so wird sich die Mehrheit der arabischen Liga-Staaten wohl hinter die umfassenden Sanktionen der UNO stellen.

Die Fronten sind verhärtet, ohne Gesichtsverlust kann sich der in der arabischen Welt keineswegs unpopuläre irakische Despot nicht aus Kuwait zurückziehen. Das wissen auch die arabischen Bruderländer. Mit den vorgeschlagenen Forderungen des Dringlichkeitsgipfel bleibt ihnen aber immerhin ein winziges Feigenblättchen, um die Scham der eigenen Einflußlosigkeit notdürftig zu bedecken und dabei eine völlige Brüskierung des Irakers zu vermeiden. „Wir alle wissen“, so ein ägyptischer Deligierter am Rande des Gipfels, „daß die Amerikaner nicht nur zum Schutz unserer Freiheit in Saudi-Arabien sind. Denen geht es doch darum, daß ein Mann wie Saddam nicht durch Auf- oder Zudrehen des Ölhahns bestimmen kann, ob in den Industrieländern Wirtschaftswachstum oder Rezession herrschen. Und im Zeichen veränderter Ost-West-Beziehungen haben sie so gleichzeitig die beste Handhabe, auch weiterhin eine starke Armee zu unterhalten. Wir haben Saddam nun eine letzte Chance gegeben, seinen Fehler zu korrigieren. Wenn er sie nicht nützen sollte, was können wir dann schließlich schon tun?“

Walter Saller