„Brot-Briketts will keiner mehr“

■ Norddeutsche Bio-Bauern produzieren mehr Roggen, als die Szene nachfragt

Wenn der Bio-Müller Volker Krause aus Bohlsen bei Uelzen über Vollkorn-Spaghetti, Gerstenflocken oder Haferkerne fachsimpelt, dann läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Da ist vom leicht verdaulichen, weichen Korn die Rede, von der knusprigen Flocke und vom gleichmäßig gekörnten Mehl, das dem Bio-Bäcker erst zur Entfaltung seiner ganzen Handwerkskunst verhilft.

Die Unterstützung der regionalen Bio-Bauern nimmt Volker Krause besonders erst, weshalb er gegenwärtig auch auf einem Überschuß von 400 Tonnen biologisch angebautem Roggen aus Niedersachsen sitzt. Der Körnerberg in seinem Getreidesilo hat in mehrfacher Hinsicht mit den Problemen des Bio -Landbaus in Norddeutschland zu tun. So haben vor allem in Niedersachsen - motiviert durch Förderprogramme der Landesregierung - viele Bauern auf biologisch kontrollierte Erzeugung umgestellt, was wiederum handfeste materielle Gründe hat: Die Umstellung lohnt sich nämlich besonders für jene Landwirte, die durch ihre sandigen, leichten Böden relativ geringe Erträge erwirtschaften. Dieser Nachteil läßt sich durch die höheren Preise auf dem Biomarkt leichter wettmachen. Doch auf diesen Böden wächst hauptsächlich der genügsame Roggen, während der Weizen nicht so recht gedeihen will.

Das bedeutet einerseits, daß viele Hektar Land nicht mehr mit

Gift berieselt werden. Das bedeutet aber auch, daß es immer mehr Bio-Roggen in Norddeutschland gibt, während die Alternativbäcker zunehmend Weizen verbacken. Ob das nun daran liegt, daß sich das weiche Weizenbrot bei den gesundheitsbewußten Konsumenten immer mehr durchgesetzt hat, wie ein Mitarbeiter der „Bio-Insel“ in Harburg berichtet, oder daß das Brotbacken mit hohen Weizenanteilen einfach bequemer ist, wie ein Bio-Bäcker aus dem roggenreichen Wendland vermutet, ist unter Insidern umstritten. „Die Briketts, die man früher verkaufen konnte, will heute niemand mehr haben“, stellt Thomas Effenberger von der Hamburger Vollkornbäckerei „Brotgarten“ fest, doch für ihn ist das weniger eine Frage des Roggenanteils, als der „handwerklichen Qualität“. Volker Krause von der Bohlsener Mühle sieht das ebenso: „Unser Roggenbrot geht fast genauso gut wie Sesam-Leinsamen, und der Renner, das Sonnenblumenbrot, hat seit Menschengedenken 60 Prozent Roggenanteil. Ich versteh das nicht, was die da noch an Weizen rumpanschen.“

Das Hauptproblem aber sind die Billigangebote aus Frankreich und anderen europäischen Ländern, denen hiesige Bio-Bäcker und Getreidehändler allzu oft nicht widerstehen können. Das widerspricht zwar den Regeln der ökologischen Landbau-Verbände, wird aber auch nicht kontrolliert. „Wir müssen den biologischen Landbau vor der eigenen

Haustür fördern“, sagt Volker Krause, „wenn man den Ausgleich im Ausland sucht, löst man nicht die ökologischen Probleme in der eigenen Region.“

Seit der 38jährige vor elf Jahren in die Getreidemühle seines Vaters einstieg, hat er sie zielstrebig zum kleinen Imperium ausgebaut. Pro Jahr werden bis zu viertausend Tonnen chemiefrei angebautes Getreide in der Mühle verarbeitet und in der angeschlossenen Bäckerei rund 350.000 Brote gebacken. Damit hat sich Volker Krause zu den ganz Großen in der norddeutschen Bio-Szene hochgeackert. Inzwischen stehen 18 feste und noch ein paar freie Mitarbeiter bei der Bohlsener Mühle in Lohn und Brot.

Angefangen hat es für ihn wie für so viele Hamburger Linke seiner Generation auf den großen Anti-Atom-Demonstrationen in Brokdorf und Grohnde: „Damals haben wir versucht, mit Klo -Pümpeln die Polizeischilde anzusaugen, das hat aber leider nicht funktioniert.“ Besser klappte es mit dem nächsten Projekt: Als Konsequenz aus seinem Anti-Atom-Engagemenent begann der damalige Student der Volkswirtschaft sich mit alternativen Energien zu beschäftigen - und blieb dabei. Er widmete sich der Wasserkraft wozu ihm die an der rauschenden „Gerdau“ gelegene, wunderschöne Getreidemühle des Vaters (Baujahr 1851) ideale Bedingungen bot. Heute kann die von dem Mühlenbach angetriebene Wasserturbine rund die Hälfte

des Energieverbrauchs seiner Mühle decken.

Nach einigem Zögern nämlich war Volker Krause nach dem Examen wieder aufs Land zurückgekehrt, von wo er Jahre zuvor in die Großstadt geflüchtet war. Es war das Jahr 1979, als in Hamburg und Bremen die ersten Grünen Läden entstanden. In jenem Sommer klapperte Volker die zwei, drei Bio-Höfe ab, die es damals in Niedersachsen gab, bis er seine „ersten paar Tönnchen Bio-Getreide“ zusammen hatte.

Mit der Bio-Ladenbewegung kamen die Bio-Bäckereien, dann die Naturkostverteiler und schließlich die Weiterverarbeiter, die aus dem Öko-Getreide beispielsweise Babykost in Gläschen machen. Aus den zunächst eher „privaten oder ökologischen Beziehungen“, an die sich Volker Krause fast mit Wehmut erinnert, sind längst geschäftliche Verbindungen geworden.

Müller Krause mißfallen mittlerweile einige Entwicklungen im Naturkosthandel und im Verbraucherverhalten, die sich seiner Meinung nach mit den Grundsätzen biologischer Erzeugung nicht mehr so recht vertragen. Er ärgert sich über die Massen von exotischen Importartikeln in den Auslagen der Naturkostläden: „Wir haben hier das schönste Getreide, aber da werden Tofu und Miso und was nicht alles aus dem Fernen Osten eingeführt und Frühkartoffeln aus Israel eingeflogen.“

Gaby Haas