Spiegel-Bild

■ betr.: "Das Prinzip Glottertal" (Horst Lapp - Ein Bestsellerautor im Schwarzwald) von Hubert Spiegel, "Vergewaltiger sind Frauenfreunde - oder?" (Sprache und Recherche beim "Spiegel"), taz vom 7.8.90

betr.: „Das Prinzip Glottertal“ (Horst Lapp - Ein Bestsellerautor im Schwarzwald) von Hubert Spiegel, „Vergewaltiger sind Frauenfreunde - oder?“ (Sprache und Recherche beim 'Spiegel‘),

taz vom 7.8.90

Ist die Vergewaltigung eines Mädchens kein Verbrechen, wenn der spätere Mann der späteren Frau nach Meinung von „Kulturjournalisten“ drittklassigen Sex-and-Crime-Schund“ schreibt? Ist Elke Freyermuth unglaubwürdig, weil sie erst 20 Jahre das an ihr begangene Verbrechen verdrängt (wie fast alle Gewaltopfer) und dann im 'Stern‘ damit rausrückt („mit einem doppelseitigen Foto“, wie Herr Spiegel nicht zu erwähnen vergißt; ich will hier erwähnen, weil auch das von „Kulturjournalisten“ erwähnt wurde und für den männlichen Umgang mit dem Thema Gewalt gegen Frauen typisch ist, daß das Foto sogar von einem Jim Rakete gemacht wurde und Elke Freyermuth als das zeigt, was sie die Chuszpe hat zu sein: eine schöne junge Frau, im Volksmund „begehrenswert“ genannt...)?

Herr Spiegel erwähnt auch, gegen Ende und sozusagen süffisant, daß für Herrn Lapp der “'Fall Freyermuth‘ nur 'ein Klacks'“ ist; „man würde ihm 'noch ganz andere Dinge unterstellen'“. Lassen wir ausnahmsweise den falschen Konjunktiv beiseite - was eigentlich kann man einem Mann Schlimmeres unterstellen als Gewalt gegen Frauen und Kinder (beiderlei Geschlechts)? Von welchem Kulturverständnis nährt sich eigentlich Herr Spiegel und nähren sich die Verantwortlichen dieser Kulturseiten, wenn ihnen dazu nicht einmal ein Fragezeichen einfällt, geschweige denn auffällt, daß Herr Spiegel und Frau taz damit just dasselbe tun, was Herrn Lapp süffisant nachgesagt wird: Sie machen aus der Vergewaltigung von Elke Freyermuth durch Herrn Lapp „einen Klacks“. (...)

In diesem seltenen Fall hat das Opfer Verdrängung und Schweigen durchbrochen. Und was darf der Kulturjournalist Hubert Spiegel auf den Kulturseiten der taz nun tun? Aus dem Täter mit einem erstaunlichen Maß an Detail- und Recherchefreude ein eigentliches Opfer stilisieren. Das Opfer des sattsam bekannten Fremdenhasses leider nicht nur in idyllischen Schwarzwaldtälern. Und nachdem er spaltenlang den Täter Lapp hinter dem Opfer Lapp unsichtbar gemacht hat, wirkt ein am Rande und am Ende erwähntes „doppelseitiges Foto“ des tatsächlichen Opfers quasi von selbst obszön.

In derselben taz-Ausgabe steht auf der Seite 4 und hervorgehoben eine brillante Polemik gegen die subtile Amoralität eines anderen 'Spiegel‘: „Opfer, sobald sie männlich sind, sind der Recherche wert, (weibliche) Vergewaltigungsopfer dagegen bleiben namen-, persönlichkeits - und damit bedeutungslos, seziert am 'Fall‘ Saddam Husseins und Nicolae Ceausescus Söhne“. Auch Herr Spiegel in der taz macht sich nicht die Mühe, beim Opfer Elke Freyermuth zu recherchieren. Und die taz-Kulturabteilung scheint ihn nicht dazu angehalten zu haben. So wird aus den Kultur(!)seiten der reine Hohn auf die Polemik von Seite 4 - die einen machen die anderen beliebig und wirkungslos. Womit eigentlich rechtfertigt eine Zeitung wie die taz ihren Anspruch, gewisse moralische Prinzipien zu vertreten und damit der moralischen Verkommenheit dieser Gesellschaft entgegenzutreten?

Pieke Biermann, Berlin-West

In seinem Artikel über den „Schwarzwaldbauern Horst Lapp“ geht der Autor Hubert Spiegel auf die Vergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens ein, die Lapp zur Last gelegt wird. Über diesen „Fall Freyermuth“ - wohlgemerkt es ist der Fall des Opfers, mein Fall, nicht der des Täters - berichtet Herr Spiegel ausschließlich aus der Perspektive des Vergewaltigers. Die Leiden des Opfers zählen nicht, es wird nicht befragt, es kommt in der langen Lapp-Lobrede nicht zu Wort. Denn Opfer von Vergewaltigungen haben ja zu schweigen und sich zu verstecken, nicht wahr? Ausdrücklich wird von Herrn Spiegel mir das Recht abgesprochen, mich zu wehren, das Schweigen zu brechen, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Mit Empörung und tiefer Wut erfüllt mich, daß mir eine solche Verharmlosung und Bagatellisierung von Vergewaltigungen nun auch in der taz begegnet - als ökonomische „Mehrfachverwertung“ eines vier Monate alten Artikels, den der Autor in der 'Badischen Zeitung‘ veröffentlichte und in dem die meinen „Fall“ betreffenden Vergewaltiger-Passagen bereits wörtlich zu lesen waren.

Daß der Artikel darüberhinaus zwei sachliche Fehler zu meinen Ungunsten aufweist, paßt ins zurechtgebogene Spiegel -Bild:

1. Die fragliche Talkshow, in der Lapp mit dem Vergewaltigungsvorwurf konfrontiert wurde, fand nicht, wie Spiegel behauptet, im Oktober, sondern am 11. August 1989 statt. Der Bericht des 'Stern‘ erschien am 2. November. Also nicht „kurz darauf“, sondern lange und schmerzhafte zweieinhalb Monate später, in denen Herr Lapp eifrig Redaktion auf Redaktion anrief, sich für Interviews anbot und mich verleumdete, indem er sich selbst als unschuldiges „Opfer einer Verleumdungskampagne“ präsentierte. Erst nach langem Zögern habe ich dann den Entschluß gefaßt, mich gegen diese neue Gewalt zu wehren und den Lügen, die Lapp in vielen Interviews und Talkshows über mich verbreitete, mit dem von Herr Spiegel mit so viel zynischer Herablassung kritisierten Bericht im 'Stern‘ entgegenzutreten. - Für mich waren diese zwei Monate die vielleicht schwersten meines Lebens. Doch für den taz-Autor Spiegel kommt es darauf ja nicht an, wenn es nur seiner Sache, das heißt dem Täter dient.

2. Daß die Ermittlungen „kurz vor dem Abschluß“ stünden, paßte dem Herrn auch ins Konzept. Nur stimmt diese Behauptung schon seit dem 28. März nicht mehr, seit nämlich die Staatsanwaltschaft Offenburg gegen Horst Lapp Anklage wegen Vergewaltigung erhoben hat.

Davon aber war in der taz-Lobrede nichts zu lesen. Aber schließlich ist eine Vergewaltigung nur „ein Klacks“, wie Herr Lapp in der taz äußern darf, ohne daß Autor oder Redaktion Widerspruch erheben. Meinen die taz-Leute, Männer wie Frauen, das wirklich?

Elke S.Freyermuth, Hamburg (BRD

(...) Daß nicht die Tat selbst, sondern deren Benennung Schrecken und Abscheu verbreitet, ist eine altbekannte, traurige Tatsache, die Herr Spiegel mit seiner Beurteilung des 'Stern'-Artikels bestätigt. Die letzten Unklarheiten über seine Geisteshaltung beseitigt Hubert Spiegel, indem er sich via 'Spiegel'-Zitat in die frauenverachtenden Niederungen des unsäglichen Willi Winkler begibt.

Diesen Artikel in der taz zu lesen, hat mich sehr enttäuscht, um so mehr, als in derselben Ausgabe unter der Überschrift „Vergewaltiger sind Frauenfreunde - oder?“ die offensichtliche 'Spiegel'-typische Haltung der Verachtung gegenüber den Opfern anstatt den Tätern kritisiert wird. (...)

Susanne März, Offenburg (BRD

Der arme „Bestsellerautor“ Lapp muß den Herrn Spiegel wohl sehr beeindruckt haben. So viel Mitgefühl für den Staighof -Bauern, da bleibt für eine „Journalistengattin“ nichts mehr übrig. Was für Herrn Lapp ein „Klacks“ sein mag, ist für die Frau ein Alptraum. Frau Freyermuth hatte das Unglück, durch den Beruf ihres Mannes wieder mit der verdrängten Geschichte konfrontiert zu werden. Der „merkwürdige Markt und seine rührigen Zuträger“, zu denen sich ja wohl auch Spiegel zählen kann, wird seinen Teil dazu beigetragen haben, daß die Geschichte - eben nicht so kurz nach der Show, daß es nur um eine „Verwertung“ gehen könnte - so im 'Stern‘ erschien. Dem Opfer wird vorgeworfen, die Geschichte zu authentisch und dramatisch dargestellt zu haben. Jornalisten wie Winkler und Spiegel bitten um dezentere Beschreibungen, oder sollte man vielleicht besser gar nicht darüber reden?

Zwischen den Zeilen bleibt zu lesen, daß es sich um eine Sex-and-Crime-Story handele und Lapp fühle sich „heute noch mißhandelt“. Daß bei Vergewaltigungen die Täter als Opfer dargestellt werden, ist nicht neu. (...)

Marion Schneider Borchers, Essen (BRD