Frauenliga des ANC sucht Gleichberechtigung

■ Die dreißig Jahre lang verbotene Frauenliga des ANC gründete sich am Wochenende neu / Frauenbelange nicht mehr sekundär

Aus Johannesburg Hans Brandt

Am gestrigen Sonntag war es soweit: Nach 30 Jahren des Verbots gründete sich die Frauenliga des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) in der südafrikanischen Hafenstadt Durban neu. Die ANC-Frauen wollen dafür sorgen, daß die Interessen ihres Geschlechts im Übergangsprozeß zu einem neuen Südafrika nicht ignoriert werden. Unter anderem wollen sie eine „Charta der Frauenrechte“ formulieren, die Teil einer neuen demokratischen Verfassung werden könnte. „Wir wollen die gesamte nationale Befreiungsbewegung für den Kampf zur Emanzipation der Frauen mobilisieren“, erklärten die Organisatorinnen der Frauenliga.

Ihre größte Stunde hatte die Frauenliga am 9. August 1956. Damals waren 40.000 Frauen zum Regierungsgebäude in Pretoria marschiert, um gegen die totale Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Frauen, die sogenannten Paßgesetze, zu protestieren. Der Tag wird jetzt als südafrikanischer Frauentag gefeiert. Aber mit der Emanzipation der Frauen in Südafrika steht es schlecht - auch wenn ANC und andere Anti -Apartheid-Organisationen die Gleichberechtigung auf ihre Fahnen schreiben. Die prominentesten ANC-Frauen sind immer noch die Ehefrauen der führenden ANC-Männer: Adelaide Tambo, Frau des ANC-Präsidenten Oliver Tambo, wurde letzte Woche bei ihrer Rückkehr aus dem Exil von Winnie Mandela begrüßt, der Frau des ANC-Vizepräsidenten Nelson Mandela. Auch Albertina Sisulu, Frau des internen ANC-Führers Walter Sisulu, spielt eine führende Rolle.

Zweifellos sind diese Frauen starke Persönlichkeiten. Letztendlich haben Winnie Mandela und Albertina Sisulu stellvertretend gegen die Apartheid und für ihre Männer gekämpft, als die im Gefängnis waren. Winnie Mandela wurde nicht zuletzt wegen des Mordskandals, in den sie verstrickt ist - seit der Freilassung Mandelas auf „First Lady“ getrimmt. Da schimmert aber auch das Selbstverständnis des Patriarchen Mandela hindurch, eine Frau gehöre in Heim und Küche. Noch immer gibt es viele Frauen, die sich als Ehefrauen und Mütter definieren (müssen), während die Männer den politischen Kampf kämpfen oder im Gefängnis sitzen. „Die Frauenproblematik wird dem allgemeinen Kampf untergeordnet“, sagt Ross Posel, Frauenforscherin an der Universität Natal.

Das gilt auch noch für die neu gegründete ANC-Frauenliga. Priorität der Liga sei es, „unsere nationale Befreiungsbewegung, den ANC, zu stärken, so daß sie für die Aufgaben der Zukunft gerüstet ist“, heißt es in einer Erklärung dieser Woche. Die besonderen Interessen von Frauen, die durch Rassismus und Ausbeutung der Apartheid „die am meisten unterdrückte Gruppe der Bevölkerung“ ausmachen, kommen erst an zweiter Stelle. Lange sperrte man sich gegen den „bourgeoisen“ - da weißen - Feminismusbegriff des Westens. Dennoch wollen Frauen auf die Debatte über eine Gesellschaft ohne Apartheid Einfluß haben. „Wenn wir nicht verstehen, daß Unterdrückung aufgrund des Geschlechts strukturell bedingt ist und alle Aspekte des Lebens betrifft, werden wir keine Politik formulieren, die die Emanzipation von Frauen erreicht“, warnt Frene Ginwala, Rechtsanwältin und Journalistin. Als Beispiel nennt sie wirtschaftspolitische Richtlinien, die der ANC zusammen mit der Gewerkschaftsföderation COSATU erarbeitet hat. Da wird die Rolle von Frauen lediglich in punkto Mutterschaftsurlaub und Notwendigkeit von Kindergärten berücksichtigt.

„Die unbezahlte Arbeit von Frauen im Haus und auf dem Land ist nie als Beitrag zum Bruttosozialprodukt begriffen worden,“ sagt Ginwala. Aber sie kritisiert auch weiße Frauen der konservativen (burischen) Gesellschaft, die trotz ihrer Privilegien keine Gleichberechtigung in der Wirtschaft erreicht hätten. „Man spricht von Maßnahmen, um die Position von Schwarzen zu verbessern“, sagt sie. „Aber was ist mit den weißen Frauen? Die haben das nie gefordert.“