Konversions-Konferenz in Moskau

■ Teilnahme von „Zivilisten“ Anlaß zum Optimismus / Konkrete Umstellungspläne werden diskutiert

Berlin (taz) - Was soll künftig mit Panzern, arbeitslosen Soldaten oder Herstellungsanlagenlagen für Kriegsgerät geschehen? Wo ist internationale Kooperation nötig und möglich bei der Umstellung von Waffen- auf Zivilgüterproduktion? Wie lassen sich Rezessionen vermeiden bei der Entmilitarisierung der Volkswirtschaften? Mit diesen Fragen befaßt sich zum erstenmal nach dem „Ende des Kalten Krieges“ ein offizielles internationales Forum: in Moskau beginnt heute abend die UNO-Tagung „Umrüstung: wirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen in einem Zeitalter der Abrüstung“.

Die Verantwortlichen im New Yorker UNO-Hauptquartier und bei der mitveranstaltenden Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf hoffen, daß die Moskauer Konferenz greifbare Fortschritte für die Zivilisierung von Volkswirtschaften bringt. Ein Anlaß für diese Zuversicht: Die Mehrheit der 110 TeilnehmerInnen aus 40 Staaten besteht

-anders als meist üblich bei UNO-Tagungen - nicht aus RegierungsvertreterInnen und Beamten, sondern kommt aus Industrie, Gewerkschaften sowie der Wirtschafts-und der Friedensforschung. Experten unter anderem aus der BRD, DDR, UdSSR, China und den USA stellen Beispiele für Umrüstungsmaßnahmen aus ihren Ländern zur Diskussion. Abgesandte aus Rom und Stockholm erläutern die Konversionspläne ihrer Regierungen. Italien und Schweden sind bislang die beiden einzigen Staaten, in denen ein solcher Plan aufgestellt wurde - eine Maßnahme, zu der sich eine ganze Reihe von Staaten, darunter die BRD, auf einer früheren UNO-Tagung über den Zusammenhang zwischen Abrüstung und Entwicklung verpflichtet hatten.

Der stellvertretende UNO-Generalsekretär Akashi erwartet für die meisten Volkswirtschaften „zumindest kurzfristig rezessive Auswirkungen“, falls der Konversionsprozeß „nicht durch zusätzliche Steuer-und Haushaltsmaßnahmen begleitet“ werde.

Der Konferenz liegt eine Studie der ILO über den weltweiten Rüstungsarbeitsmarkt und die möglichen Folgen von Abrüstung vor. Sie beruht auf in den letzten Jahren angestellten Regionalstudien. Danach sind derzeit rund 55 Millionen Menschen in rüstungsabhängigen Arbeitsbereichen beschäftigt. Nach Erwartung der ILO werden selbst bei einer nur teilweisen Abrüstung in Europa und den USA mindestens zehn Millionen Menschen ihre bislang gutbezahlte Arbeit verlieren. Bisherige Erfahrungen hätten gezeigt, daß bei der Schließung von Rüstungsfabriken 15 Prozent der Beschäftigten ganz aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Von den übrigen 85 Prozent hätten ein Drittel erst nach zwei bis drei jahren eine allerdings schlechter bezahlte Arbeit gefunden. 18 Prozent blieben über einen noch längeren Zeitraum erwerbslos. Nur ein Drittel habe den Lebensstandard halten oder verbessern können.

Im Gastgeberland der Konferenz, der UdSSR, haben nach Angaben des stellvertretenden UNO-Generalsekretärs Akashi ehemals reine Rüstungsbetriebe bis zum Jahr 1989 bereits bis zu 40 Prozent ihrer Produktion auf Zivilgüter umgestellt. In diesem Jahr soll eine Quote von 49 Prozent erreicht werden.

Andreas Zumach