„Der Krieg der RAF war ein Irrtum“

■ Das ehemalige RAF-Mitglied Sigrid Sternebeck berichtet im neuesten 'Spiegel‘ über ihren Ein- und Ausstieg bei der RAF und ihr Leben in der DDR / Sie bestreitet jede Beteiligung am Schleyer-Mord

Berlin (taz) - „Das 'Konzept Stadtguerilla‘ ist gescheitert, weil es von falschen Grundvoraussetzungen ausging: Wir leben in Mitteleuropa nicht unter einer faschistischen Diktatur mit einer Bevölkerung am Existenzminimum, die bereit ist zum Aufstand. Die Übertragung von Che Guevaras 'Fokus-Theorie‘, die glaubt, ein Aufstandsherd könne selber die revolutionären Bedingungen erzeugen, war ein Irrtum.“ Zu dieser Schlußfolgerung kommt das ehemalige RAF-Mitglied Sigrid Sternebeck in der jüngsten Ausgabe des 'Spiegel‘. Und weiter: „Krieg und Zerstörung - das sind keine Mittel der politischen Auseinandersetzung an der Schwelle zum Jahr 2000.“

Die jetzt 41jährige Fotografin, die seit 1980 unter falscher Identität in der DDR lebte, wurde Mitte Juni in Schwedt/Oder festgenommen. Seit dem 14. Juli sitzt sie Mainz in Untersuchungshaft. Jahrelang stand Sigrid Sternebeck ganz oben auf den Fahndungslisten des BKA. Gesucht wurde sie wegen mutmaßlicher Beteiligung an den Morden an Generalbundesanwalt Buback und Jürgen Ponto und an der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer.

In der Untersuchungshaft verfaßte Sigrid Sternebeck nun eine Art Lebensbeichte, die der 'Spiegel‘ veröffentlichte. Sie versucht darin, sich von den Mordvorwürfen zu entlasten, ohne andere RAF-Mitglieder jedoch belasten zu wollen. Eine Beteiligung am Schleyer-Mord bestreitet sie ausdrücklich: „Ich hatte von der Schleyer-Aktion vorher nichts gewußt.“ Sie räumt allerdings ein, Ende der siebziger Jahre für einen Teil der RAF-Logistik zuständig gewesen zu sein. 1979, nach einem längeren Aufenthalt bei „RAF-Aktiven“, sei sie aus Paris in die BRD zurückgekehrt, um Wohnungen für die Gruppe zu organisieren und Depots mit Waffen, Munition und Papieren „auf den neuesten Stand zu bringen“. Sternebeck wehrt sich gegen die Vorwürfe, sie habe sich noch im August 1985, fünf Jahre nach Übersiedlung in die DDR, an der Ermordung eines US-Soldaten in Wiesbaden und an einem Bombenanschlag auf die US-Air-base in Frankfurt beteiligt. Sternebeck: „Ich habe seit meiner Übersiedlung in die DDR 1980 den Boden der BRD nie betreten.“ Den BRD-Behörden habe sie sich gestellt, „weil ich diese Vorwürfe schnellstens aufgeklärt haben möchte“. Wenn der einstigen RAFlerin der Soldatenmord 1985 nicht nachgewiesen werden kann, müßte sie eigentlich freigesprochen werden. Der pauschale Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ ist nämlich inzwischen verjährt.

Sigrid Sternebeck - die gemeinsam mit Baptist Ralf Friedrich als erste RAF-Mitglieder in der DDR Unterschlupf fanden - berichtet im 'Spiegel‘, „Aktive“ der RAF hätten „an der Lösung für die Aussteiger“ gearbeitet und sie mit gefälschten Pässen versorgt. In der DDR hatte Sternebeck ständigen Kontakt mit der Stasi. Für die Mielke-Truppe verfaßte sie „sogenannte Stimmungsberichte“, unter anderem „über die desolate Versorgungslage, das schlechte Ansehen der SED bei der Bevölkerung, die ablehnende Haltung gegenüber den Partei-Tageszeitungen und deren Inhalt“. Nach der Wende habe sich die Stasi mit den Worten verabschiedet: „Wir können nichts mehr für euch tun.“

uhe