Senat läßt denken: Bremen im Jahr 2000

■ Wissenschaftler, Gewerkschafter, Militärs und Unternehmer suchen das Bremen der Zukunft

Im Bremer Senat sind wieder Visionen gefragt. Seit neuestem sitzen alle acht Wochen 13 Leute im Bremer Rathaus zusammen und denken einen halben Tag laut über Bremen nach. Ihre große Frage lautet: Was wird aus unserem Stadtstaat? In zwei Jahren wollen sie die Antworten gefunden haben und dem Senat Vorschläge machen können.

Das Besondere der Arbeitsgruppe mit dem anspruchsvoll -programmatischen Namen „Kommission Bremen 2000“: Obwohl die Teilnehmer im Rathaus tagen und ihre Arbeit als Politik -Beratung verstehen, sind beamtete Vertreter der Bremer Landesregierung bewußt in der Minderheit. Die Mehrheit bilden: Ein General außer Diensten, der seine Pension in Bremen verzehrt, der Präses der Bremer Handelskammer, der Geschäftsführer des

Bremer Rüstungsunternehmens MFG (ehemals MBB/Marine und Sondertechnik), der Leiter des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven, ein ehemaliger Staatssekretär und Finanzexperte aus Bonn, eine Hochschullehrerin, die sich in sozialpolitischen Fragen auskennt, eine Gewerkschafterin und Expertin für Arbeitsmarktpolitik und ein Stadtplaner, der an der Bremer Universität lehrt. Für den Senat dabei: Die Stellvertreter von Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer, Umweltsenatorin Eva Lemke-Schulte und Wissenschafts- und Kunstsenator Henning Scherf. Geleitet wird das Ganze vom Chef der Bremer Staatskanzlei, Andreas Fuchs.

Einer mußte ganz bewußt draußen bleiben: Der Stellvertreter von Finanzsenator Claus Grobecker, Hartwig Heidorn. Zumindest nachdenken wollen die 13

Teilnehmer noch dürfen ohne Sparschere im Kopf.

Inzwischen haben sie die erste Sitzung hinter sich und - als Ergebnis - ein Bündel offener Fragen vor sich. Zum Beispiel: Wie paßt im Jahr 2000 der Wunsch nach ruhigem Wohnen in verkehrsberuhigten Straßen noch mit den Interessen der Kaufleute an besten Verkehrsverbindungen zusammen? Was kann Bremen alles aus seiner Lage am Wasser und seiner Nähe zum Meer machen? Wobei gilt: Wasser ist nicht nur ein Transportweg, an dem die Bremischen Häfen liegen. Wasser ist auch Landschaft, ist auch ökologisch bedrohte Natur, ist auch Gegenstand einer zukunftsträchtigen Wissenschaft usw. Wie sieht eine Sozialpolitik aus, der für immer mehr ältere Menschen etwas anderes einfällt

als immer mehr Altersheime und für Ausländer und Asylbewerber immer neue Ghettos? Wie wird Bremen unabhängig von Rüstungsaufträgen, welche Chancen haben Bremer Unternehmen in einem einigen Deutschland mit offenen Grenzen in Europa nach dem endgültigen Ende des kalten Kriegs. Wie verliert das Bremer Kulturleben das überregionale Image redlich bemühter Provinzialität usw.

Wenn es nach dem Vorsitzenden der „Kommission 2000“, Andreas Fuchs, geht, liefert das Gremium „sachverständiger Köpfe mit hanseatischem Herzen“ in zwei Jahren ein ganzes Bündel unterschiedlicher Szenarien vom Bremen der Zukunft. Unterschied zu den in der Vergangenheit häufig in die Öffentlichkeit lancierten

„Strategie-Papieren“ einzelner Senatsressorts: Statt unter dem Vorwand „Das Beste für Bremen“ die jeweils eigenen Behörden-Apparate aufzublähen, soll die Kommission sich vom „Ressourcen-Absicherungsdenken“ freimachen.

„Was der Senat dann am Ende von den Vorschlägen übernimmt und in konkrete Politik übersetzt, bleibt ihm natürlich überlassen“, sagt Andreas Fuchs mit einer gehörigen Portion Schlitzohrigkeit. Denn auch Fuchs weiß natürlich: Man kann einen Handelskammer-Präses Berghöfer, einen General Altenburg, einen Rüstungskonzern-Manager und mehrere Professoren nicht zwei Jahre arbeiten lassen, um die Ergebnisse anschließend sang-und klanglos in der Versenkung verschwinden lassen.

K.S.