Wohlfahrt freut sich auf „Job-Killer“

■ Wehrpflicht bringt nützlich-billige Zivildienstleistende:Arbeitsdienst statt Arbeitsplätze

West-Berlin. Während die rund 50.000 Wehrflüchtlinge verunsichert ihrer möglichen Einberufung entgegenbibbern, haben die Wohlfahrtsverbände der Halbstadt Grund zu „dankbarer“ Freude: Zivildienstleistende, ZDLer oder Zivis heißen die Gratis-Helferlein, auf die bald auch das Westberliner Sozialsystem zurückgreifen kann.

Bis das bundesdeutsche Recht (und damit auch das Wehr- und Zivildienstrecht) voll in West-Berlin gilt, wird es nicht mehr lange dauern. Konkrete Verhandlungen mit dem Bundesamt für Zivildienst in Köln und genaue Berechnungen hat angeblich noch kein Wohlfahrtsverband aufgenommen - doch „überlegt“ wird allerorten. „Wir werden die Zivildienstleistenden dankbar in Anspruch nehmen“, erklärte das Diakonische Werk auf taz-Nachfrage, und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband ließ verlauten: „Die kommen uns gerade recht.“ Bei der Caritas, dem Arbeiter-Samariter -Bund, dem Roten Kreuz und der Arbeiterwohlfahrt wird es wohl kaum anders aussehen.

Das Diakonische Werk will die Zivis besonders gern beim „Essen auf Rädern“ einsetzen, wo sich momentan noch TaxifahrerInnen ein kleines Zubrot verdienen. Natürlich nicht nur, weil das billiger ist: „Die Zivis haben auch mehr Zeit für soziale Kontakte.“ Arbeitsplätze koste das keinesfalls. Auch der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband weiß schon, was er will: die Zivis sollen die ausgedünnten Reihen der Mädchen im „Freiwilligen Sozialen Jahr“ wieder auffüllen. Hier kürzte der Senat mehr als die Hälfte der Gelder, von 2,2 Millionen auf eine Million in diesem Jahr. ZDLer sind immer ein gutes Geschäft.

Meist kann dank des Einsatzes der Pflicht-Diener reguläres, professionelles und damit teures Personal eingespart werden. „Arbeitsmarktneutral“, wie von der Bundesregierung gern behauptet, ist der Zivildienst jedenfalls nicht. Fortschrittliche Gewerkschafter und Wissenschaftler sprechen von „Job-killing“, in Bremen und Marburg konnte für den Krankenhausbereich klar nachgewiesen werden, daß mit den ZDLern Personal eingespart wird und somit Arbeitsplätze verloren gehen. So wies der Bremer Professor für Sozialpädagogik, Jürgen Blandow, nach, daß Zivis kaum als zusätzliche Kräfte, sondern fast nur „ersetzend“ eingesetzt werden. Blandow fand außerdem heraus, daß die Zivildienstleistenden mehr als kostenneutral arbeiten. Legt man die üblichen Honorarsätze zugrunde, erwirtschaften sie sogar fast doppelt soviel, wie sie den Staat kosten (allerdings ohne die Kosten für die verursachte Arbeitslosigkeit mit einzubeziehen). Blandow errechnete dies für das Jahr 1987 auf Bremer Landesebene, eine bundesweite Untersuchung gibt es noch nicht.

kotte