Der Kaiser ohne Kleider

■ Wer hat die SPD in die HMI-Ecke manövriert?

KOMMENTAR

Es hilft nur noch Drehen und Wenden: Im Streit um den Hahn -Meitner-Reaktor steht die SPD in der Ecke. Sie kann nur mit Rundumschlägen antworten und die Koalition sprengen. Gewandter wäre es, die Niederlage einzusehen und zum geordneten Rückzug zu blasen. Verbal hat Walter Momper schon zurückgesteckt und den Streit zum „begrenzten Konflikt“ erklärt. Jetzt muß er ihn auch tatsächlich begrenzen. Die SPD-Abgeordneten, die aus dem Urlaub zurückgerufen wurden, werden ihm ohnehin Fragen stellen: Wer sorgte denn für die Zuspitzung des Konflikts und damit auch dafür, daß der eigene Urlaub plötzlich mit einer Dienstreise nach Hause enden mußte? Und warum fehlen dem Kaiser in diesem Streit eigentlich seine Kleider? Nur ein dünner Zettel des Bonner Ministers Töpfer bedeckt die argumentative Blöße. Sonst ist der König Momper nackt.

Mit bloßen Fäusten hat Schreyer das nicht geschafft - und nicht nur aus eigener Kraft. Die SPD hat es ihr einfach ungeheuer leicht gemacht. Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller glänzte mit lauten Sprüchen und manchem Lapsus, legte sich sogar mit den eigenen Parteifreunden in der Kieler Regierung an. Aber kein einziges Mal ließ sie die Argumentation ihrer alternativen Kontrahentin durch Fachkundige prüfen. Die Möglichkeit, mangels eigener Experten Gutachter einzuschalten, war im Hause der Wissenschaftssenatorin offensichtlich unbekannt. Sehr gut bekannt ist dafür jetzt das Ergebnis: Mitten in der entscheidenden Senatssitzung mußte die SPD ihre ursprüngliche Vorlage zurückziehen und den Kurs wechseln. Macho Momper marschierte trotzdem durch. Doch jetzt muß die SPD das nachholen, was sie bisher versäumt hat: Hausaufgaben und Aktenstudium. Die ob des Streits erbosten Sozialdemokraten sollten sich überlegen, in welche Richtung sie die Fäuste ballen. Soll wirklich Schreyer zurücktreten und die Wissenschaftssenatorin nicht?

Hans-Martin Tillack