Gesellenstück eines großen Regisseurs

■ Tele 5 zeigt um 0.45 Uhr „The Strong Man“ von Frank Capra

Tele 5 versteckt auf dem nachmitternächtlichen Sendeplatz mit The Strong Man eine filmgeschichtliche Preziose, denn der Film ist nicht nur eine der besten Arbeiten des Komikers Harry Langdon, sondern auch die erste Regiearbeit Frank Capras.

Der aus Sizilien stammende, 1903 im Alter von sechs Jahren nach Amerika eingewanderte Capra begann seine Karriere in Hollywood, als Regisseure noch nicht an Filmhochschulen herangezüchtet wurden. Seine Ausbildung als Chemiker hatte wohl mit der technischen Seite der Filmproduktion zu tun, weniger aber mit dem, was Capra ausübte: Er gehörte als „Gagman“ zum Stab der Comedy-produzenten Hal Roach und Mack Sennett.

Im Auftrage Sennetts arbeitete Capra mit Arthur Ripley und dem Regisseur Harry Edwards u.a. für Harry Langdon. Langdon war schon 39 Jahre alt, ehe er für den Film entdeckt wurde. Zuvor hatte er als Jongleur, Zirkusclown, Cartoonist und Vaudeville-Schauspieler sein Glück versucht. 1926 war er Hauptdarsteller des Spielfilms The Strong Man, bei dem Harry Edwards, der Regisseur des bewährten Teams, durch Frank Capra ersetzt wurde.

The Strong Man gilt als Meisterstück des Gespanns. Noch einen weiteren, Long Pants, drehte das Trio gemeinsam, dann wurde Capra entlassen und schied im Zorn. Seine eigentliche Karriere indes begann erst richtig, als er von Harry Cohn für die Columbia Pictures engagiert wurde. Mit Es geschah in einer Nacht, In den Fesseln von Shangri-La oder Arsen und Spitzenhäubchen lieferte er einige zeitlos schöne Filme, die heutzutage beinahe Kultstatus haben. Kritisches Interesse gilt dagegen Capras Filme, aus der Zeit der Präsidentschaft F.D. Roosevelts, dessen New -Deal-Politik der Regisseur in einigen seiner Filme wenngleich unterhaltsam, so doch mit aus heutiger Sicht aufgesetzt anmutendem Pathos zu vermitteln suchte. In Filmen wie Mr.Deeds geht in die Stadt, Ist das Leben nicht schön? oder Mr.Smith geht nach Washington variierte Capra die Mär vom aufrechten Bürger zumeist kleinstädtischer Provenienz (dargestellt von Vorzeigeamerikanern wie James Stewart oder Gary Cooper), der allein durch persönliche Integrität und Tüchtigkeit gegen korrupte Politiker besteht oder wirtschaftliche Notlagen und persönliche Krisen überwindet. Immerhin veranlaßten die satirischen Seitenhiebe in Mr.Smith geht nach Washington den damaligen US -Botschafter in London, Joseph P. Kennedy, zu einer Intervention mit der Begründung, Capars Film könnten von den Nazis als antiamerikanische Propaganda verwendet werden und die Moral der Alliierten untergraben...

Harald Keller