„Soviel Geld wollten wir nicht“

■ Keine drei Prozent der Etats der Landesmedienanstalten werden von Privatfunkveranstaltern aufgebracht / 95 Millionen D-Mark für die „technische Infrastruktur“ des privaten Rundfunks

Obwohl es eigentlich ausdrücklich verboten ist, ist es erlaubt: Alle ehrlichen Gebührenzahler, die bei der Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten registriert sind, tragen noch mindestens bis November kommenden Jahres dazu bei, privatkapitalistischen Rundfunkunternehmern die risikoreichen und teuren Anfangsjahre abzupolstern.

Rechtsgrundlage dafür bildet der „Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens“ vom 3.April 1987. In dessen Artikel6 („Finanzierung besonderer Aufgaben“) wird festgelegt, daß zwei Prozent der Gebühreneinnahmen - also derzeit monatlich jeweils 38 Pfennig - an die jeweiligen Medienanstalten der Bundesländer abgeführt werden müssen. Damit bezahlen die Medienanstalten u.a. ihr Personal, das wiederum die Lizensierung und programmliche Überwachung der privaten Rundfunkveranstalter gewährleistet. Darüberhinaus darf das Geld gemäß Artikel6, Absatz1,4 zur „Förderung von landesrechtlich gebotener technischer Infrastruktur zur terrestrischen Versorgung“ des jeweiligen gesamten Landes verbraten werden, das heißt beispielsweise zum Bau zusätzlicher Sendeanlagen oder -masten zur Verteilung privaten Rundfunks. Aus dieser Passage des Staatsvertrages leiten die meisten Bundesländer ab, daß sie für private Rundfunkveranstalter beispielsweise auch die Leitungsgebühren zwischen Studio und Sendeanlagen der Bundespost übernehmen dürfen, solange dieses Geld direkt von der Landesmedienanstalt an die Bundespost gezahlt wird. In den Genuß solcher indirekten Subventionen kommt, neben vielen unsäglichen Kommerzsendern, auch das Freiburger Alternativ-„Radio Dreyeckland“.

Absatz3 des schon erwähnten Artikels muß nun allerdings nicht nur juristische Laien irritieren, heißt es doch da ziemlich unmißverständlich: „Eine Finanzierung privater Veranstalter aus der Rundfunkgebühr ist unzulässig.“ Absatz1 bleibt davon allerings unberührt.

Kompliziert wird es mit dem Staatsvertrag, wenn, wie in Nordrhein-Westfalen beispielsweise, im April diesen Jahres ein neuer Fernsehveranstalter namens „Tele-West“ auftaucht und tagtäglich auf den Fernsehwellen von RTL plus mitsurft. RTL plus, wie auch Konkurrent Sat1 haben schon vor geraumer Zeit in Nordrhein-Westfalen bestimmte Fernsehfrequenzen zugewiesen bekommen. Die terrestrische Struktur steht also. Die zuständige Landesanstalt für Rundfunk beschließt im Mai 1990 dessen ungeachtet, „Tele-West“ - fest in Händen der Essener Zeitungskrake 'WAZ‘ zusammen mit anderen Verlegern aus Nordrhein-Westfalen - als Trittbrettfahrer auf dem RTL -plus-Sendernetz für 1990 und 1991 insgesamt 850.000 D-Mark „für die Kosten des Fernsehleitungsnetzes“ als „Starthilfe“ zu spendieren. Ein Beispiel von vielen, wie im ganzen Bundesgebiet mit einer weiten Auslegung des Staatsvertrages die Betriebsverluste privaten Rundfunkunternehmertums abgedeckt werden.

Dieses Modell ist vergleichbar mit einer Situation, in der der Staat konzessionierten Taxiunternehmern aus einem Zuschlag auf die allgemeine Benzinsteuer Zuschüsse für den Kauf von Benzlimousinen (als „Förderung von gebotener technischer Infrastruktur“) gewähren würde.

Selbst von den konservativen juristischen Kommentatoren des Staatsvertrages Hartstein/Ring/Kreile werden die Formulierungen des einschlägigen Artikels6 als widersprüchlich angesehen, wenn sie schreiben, daß das Ziel der gleichmäßigen Versorgung des gesamten Landes mit Privatprogrammen „zwangsläufig“ die „Nebenfolge einer gewissen Subventionierung des privaten Rundfunks, dem auf diese Weise verbesserte Verbreitungsmöglichkeiten eingeräumt werden“, habe.

Die Autoren Oppermann und Kilian sind darüber hinaus der Auffassung, daß generell die Finanzierung der Aufgaben der Landesrundfunkanstalten nicht aus Rundfunkgebührenmitteln bezahlt werden dürften: „Die Aufsicht über den Privatfunk zur Wahrung meinungsvielfältiger Rundfunkfreiheit ist eine allgemeine Aufgabe des Staates, d.h. der jeweiligen Bundesländer. Sie ist daher entweder vom Staat selbst oder aber von den 'Veranlassern‘, den Privatfunkunternehmen, zu finanzieren und kann nicht sinnwidrig den Teilnehmern am öffentlichen Rundfunkprogramm aufgebürdet werden.“

Nach einer Aufstellung des Fachdienstes „Media perspektiven“ haben alle existierenden Landesanstalten zur Überwachung, Kontrolle und Regelung privatkapitalistischen Rundfunks zwischen 1985 und 1990 insgesamt 314,8 Millionen D -Mark eingenommen. Der Löwenanteil von 85 Prozent dieser Summe stammt dabei aus Mitteln, die die GebührenzahlerInnen aufgebracht haben, weitere 2,5 Prozent stammen aus Gebühren, die KabelteilnehmerInnen in einigen Bundesländern zahlen mußten. Nur wenige mehr, nämlich insgesamt 2,7 Prozent haben im gleichen Zeitraum diejenigen berappt, für die die Landesanstalten eigentlich Dienstleistungen erbringen, die Privaten. „Gebühren für Amtshandlungen“ (z.B. Lizenzerteilungen) und Anbieterabgaben summieren sich über die vergangenens sechs Jahre nach der Aufstellung von „Media Perspektiven“ auf knappe 8,5 Millionen D-Mark. Demgegenüber steht die Zahl von 95 Millionen D-Mark, die allein zwischen 1988 und 1990 in die „Förderung der technischen Infrastruktur“ geflossen sind.

Beim Bundesverfassungsgericht ist jetzt ein Verfahren anhängig, in dem die Verfassungsmäßigkeit der Rundfunkgebührenregelung des Staatsvertrages überprüft werden soll. Ihr zugrunde liegt eine Klage der bayrischen Grünen, die vom bayrischen Oberverwaltungsgericht nach Karlsruhe weitergeleitet wurde. Eine Entscheidung in Karlsruhe wird klarstellen, ob derartige als Leitungs- und Technikkosten deklarierte Subventionen illegal sind. Ein Verhandlungstermin steht allerdings noch nicht fest. Bis dahin bleibt RundfunkbenutzterInnen nur, gegen die Finanzierung des Privatfunks zu protestieren. In Nordrhein -Westfalen beispielsweise summieren sich die Gebühreneinnahmen der dortigen Landesanstalt für Rundfunk auf 26,6 Millionen für das Jahr 1990. Dieter Bopp, Medienspezialist in der Düsseldorfer Staatskanzlei, vor einem Jahr in einer öffentlichen Veranstaltung: „Soviel Geld haben wir gar nicht gewollt.“

-boff