Das Schlürfen ist nicht gestattet Eine Vorlesung für DDR-Diplomaten

Ausgegraben und eingeführt von Andre Meier

Die sozialistischen Staaten, in denen es keine zum Krieg oder zur Unterwerfung anderer Völker strebenden Kräfte gibt, konzentrieren ihre Anstrengungen auf den Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung sowie auf die Schaffung internationaler Bedingungen, die die Erreichung dieser Hauptaufgabe erleichtern.

Die Generallinie ihrer Außenpolitik ist das Leninsche Prinzip der friedlichen Koexistenz und der Kampf für die Erhaltung und Festigung des Friedens, der Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit der Völker, die Achtung der Souveränität der großen und kleinen Staaten, die Gestaltung der Beziehungen mit allen Staaten auf der Basis der völligen Gleichberechtigung und des gegenseitigen Vorteils. Die zweckmäßige und zielbewußte Anwendung der Normen und Regeln des internationalen Protokolls soll dabei helfen, diese Prinzipien immer besser zu verwirklichen und unsere Ziele immer schneller zu erreichen.

Das Protokoll ist infolge der ständigen Anwendung gleichartiger Regeln bei gleichartigen Anlässen entstanden. Es hat einer langen Zeit bedurft, bis diese Regeln allgemeine Anerkennung gefunden haben.

Die überwiegende Mehrzahl der protokollarischen Normen ist historisch entstanden und muß als Gewohnheitsrecht angesehen werden. Nur in der Frage der Rangklasse und der Rangfolge der Chefs diplomatischer Missionen wurde 1815 auf dem Wiener Kongreß eine internationale Vereinbarung getroffen, die im wesentlichen noch heute angewendet wird. Im Jahre 1961 wurde auf der Wiener UN-Konferenz die „Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen“ ausgearbeitet, durch deren Inkrafttreten ein weiterer Teil der Fragen des sogenannten Gesandschaftsrechtes und des Protokolls zu Völkerrechtsnormen wurden. Ein beträchtlicher Teil des Protokolls wurde dadurch zu vereinbartem Völkerrecht.

Das Protokoll unserer Republik kennt keinen Unterschied

Das Protokoll unserer Republik unterscheidet sich, wie das Protokoll der anderen sozialistischen Staaten, vom bürgerlichen Protokoll dadurch, daß es - unter Anwendung der allgemein anerkannten Protokollregeln - in Übereinstimmung mit den Grundprinzipien der sozialistischen Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik keinen Unterschied zwischen großen und kleinen Staaten macht und keinerlei Diskriminierung gegenüber den Vertretern der letzteren zuläßt, daß es sich fest auf die allgemein anerkannten Völkerrechtsnormen stützt und keine Regeln kennt, die den Prinzipien der sozialistischen Außenpolitik widersprechen.

Es wäre völlig verfehlt, anzunehmen, daß das Protokoll nur ein formales, schematisches Anwenden bestimmter Regeln für gleichartige Anlässe darstellt. Im Gegenteil, die „Kunst des Protokolls“ besteht gerade darin, unter Berücksichtigung der außenpolitischen Zielsetzung und des konkreten Standes der gegenseitigen Beziehungen zu diesem oder jenem Staat ohne die allgemeinen, grundsätzlichen Regeln zu verletzen, eine größere oder geringere Feierlichkeit oder Herzlichkeit an den Tag zu legen, das Ausmaß und das Niveau der einzelnen protokollarischen Maßnahmen auszudehnen oder auch nicht. Das Protokoll muß die für den betreffenden Fall vorgeschriebenen Normen einhalten, kann aber auch über sie mehr oder minder hinausgehen. Unter den allgemein anerkannten und im betreffenden Land üblichen Normen zu bleiben, bedeutet dagegen eine starke Diskriminierung des betreffenden Staates oder seiner Vertreter.

Ein Handwerkszeug für den Funktionär im internationalen Einsatz

Daher muß jeder Funktionär, der im internationalen Dienst tätig ist, diese Regeln kennen und verstehen, sie richtig und geschickt anzuwenden. Weit verbreitet ist die einseitige Auffassung, daß man das Protokoll hauptsächlich deshalb kennen müsse, um sich vor peinlichen oder lächerlichen Situationen zu bewahren. Das käme einer unpolitischen und völlig passiven Auffassung vom Protokoll gleich. Es kommt jedoch für unsere in der internationalen Arbeit tätigen Funktionäre vielmehr darauf an, die Regeln und Normen des Protokolls so aktiv und geschickt anzuwenden, daß sie herausfinden, welche der protokollarisch möglichen Normen am zweckmäßigsten sind, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Es geht also bei der Anwendung des Protokolls um das Geschick, die Beweglichkeit und die Aktivität, um die bestmögliche Nutzung der sich bietenden Möglichkeiten, um für die Erreichung des gestellten Zieles die günstigsten Bedingungen zu schaffen und auch zwischen den beteiligten Funktionären gute persönliche Beziehungen zu schaffen. Für den auf dem Gebiet der internationalen Arbeit tätigen Funktionär ist die Kenntnis des Protokolls also ein Handwerkszeug, dessen richtige Anwendung es unter Umständen ermöglicht, mit größerer Produktivität zu arbeiten.

Im Sportanzug

und ohne Binder

Gute Protokollkenntnisse machen zwar aus einem politisch und fachlich wenig qualifizierten Funktionär noch keinen guten Mitarbeiter in der internationalen Arbeit, aber jeder gut ausgebildete und qualifizierte Mitarbeiter im internationalen Dienst braucht unbedingt gute Kenntnisse und Erfahrungen in Protokollfragen, um auf internationaler Ebene erfolgreich und gut zum Wohle und im Interesse der Deutschen Demokratischen Republik arbeiten zu können.

Ich möchte abschließend zu diesem Komplex auf zwei Extreme aufmerksam machen, die bei uns in der Anwendung des Protokolls in der Praxis auftreten.

Das eine Extrem ist die Unterschätzung der Protokollvorschriften, die sich in der Nichtbeachtung oder der ungenügenden Berücksichtigung dieser Vorschriften äußert.

Ein Beispiel dafür: Wir haben schon einige Male erleben müssen, daß Funktionäre zu offiziellen protokollarischen Anlässen mit Genossen befreundeter Staaten im Sportanzug und teilweise ohne Binder erschienen sind.

Der Eindruck, den solch ein Verhalten hervorgerufen hat, war durchaus nicht positiv und das Verhalten selbst, wenn auch bestimmt nicht beabsichtigt, eine Beleidigung des Gastgebers. Was ist die Ursache für derartige Fälle?

Zu Freunden ist man besonders höflich

Die Ursache solcher Erscheinungen liegt meines Erachtens in der falschen Auffassung, daß die Gepflogenheiten und Regeln des internationalen Protokolls im Verkehr mit Vertretern der befreundeten sozialistischen Staaten nicht so genau genommen zu werden brauchen, eben weil diese Vertreter als Freunde angesehen werden und in der Regel auch Mitglieder kommunistischer oder Arbeiterparteien sind.

Diese Auffassung kann man nicht billigen, denn gerade zu Freunden ist man besonders aufmerksam und höflich und sollte das auch in den äußeren Formen zum Ausdruck bringen.

Das andere Extrem liegt in einer Überbetonung der Protokollvorschriften, Kollegen, die diesem Extrem verfallen sind, sollten sich jedoch als Faustregel für das Benehmen in einer Gesellschaft das Wort „Natürlichkeit“ in Erinnerung rufen. Ein gekünsteltes Benehmen wirkt meistens nicht nur abstoßend und albern, sondern kann sogar eine Atmosphäre der Unruhe und des Mißtrauens hervorrufen.

Ich habe mich bisher in dieser Vorlesung mit einigen Grundfragen des internationalen Protokolls beschäftigt, als Voraussetzung zum Verständnis für die vielen protokollarischen Fragen in der tagtäglichen internationalen Arbeit, mit denen ich mich nunmehr ausführlich beschäftigen möchte. Behandeln wir zuerst die Fragen des Vorstellens und Bekanntmachens.

Diese Frage hat nicht nur im Verkehr mit ausländischen Partnern, sondern im täglichen Leben Bedeutung. Es gibt für das Vorstellen und Bekanntmachen genaue Formen, die uns bekannt sein müssen, wenn wir mit ausländischen Partnern entsprechend den Normen des internationalen Protokolls verkehren wollen. Allgemeine Grundsätze für das Vorstellen sind:

Genosse Staatssekretär Müller, erlauben Sie,

daß ich Ihnen Genossen Lehmann vorstelle

Es wird vorgestellt:

1. Der Rangniedere dem Ranghöhe ren

2. der Herr der Dame

3. der Jüngere dem Älteren

4. das unverheiratete Mädchen der verheirateten Frau.

Bekanntmachen erfolgt zwischen:

1. Personen gleichen Ranges

2. gleichaltrigen Personen

3. Personen, bei denen nennenswer te Unterschiede, wie sie beim Vor stellen beachtet werden müssen, nicht bestehen.

Erst die Kombination der einzeln aufgeführten Merkmale ergibt jedoch die richtige Entscheidung, wer wem in der konkreten Situation vorzustellen ist.

Ein weiterer Grundsatz für das Vorstellen ist, daß Ehepaare stets zusammen vorgestellt werden sollten. Ein Beispiel für die Vorstellung eines Ehepaares mit Hilfe eines Vermittlers: „Genosse Staatssekretär Müller, erlauben Sie, daß ich Ihnen den neuen Vertreter der Polnischen Staatsbahnen, Genossen Lehmann und seine Gattin vorstelle.“

In diesem Fall wird der Staatssekretär zuerst der Frau und danach dem Vertreter der polnischen Staatsbahnen die Hand geben und nach dem Händedruck einige Worte an den Betreffenden richten. Aufgabe desjenigen, der vorstellt, ist es, je nach Lage mit einigen Hinweisen ein Gespräch in Gang zu bringen. Beim Vorstellen ist stets der Name und in kürzester Form der Titel der Personen und dessen, dem sie vorgestellt werden, zu erwähnen.

Besonders hochgestellte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens brauchen, wenn ihnen jemand vorgestellt wird, nicht besonders erwähnt zu werden. Sie können Anspruch darauf erheben, daß sie als exponierte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens allgemein bekannt sind.

Gattin oder Gemahlin, Frau oder Fräulein

Wenn man seine eigene Frau vorstellt, dann verwendet man den Ausdruck „meine Frau“, ohne den Namen zu nennen. Keinesfalls verwendet man die Bezeichung „Gattin“ oder „Gemahlin“. Im Prinzip das gleiche gilt auch für Frauen, die ihren Ehemann vorstellen.

Sollte der Fall eintreten, daß man gezwungen ist, sich selbst vorzustellen, gilt als Grundsatz, daß man sich nur mit dem Namen ohne jeglichen Titel vorstellt.

Wenn man bei offiziellen Anlässen mit einer Dame ins Gespräch kommt, hat man stets die Verpflichtung, sich vorzustellen. Die Vorstellung ist nicht nötig, wenn man nur ein kurzes Gespräch zum Beispiel im Theater hat. Die Vorstellung muß jedoch nachgeholt werden, wenn man sich länger als beabsichtigt unterhält. Eine Frau stellt sich dem Manne gegenüber nicht zuerst vor, sondern wartet, bis sich der männliche Gesprächspartner zuerst vorstellt. Dann erst sagt sie ihren eigenen Namen, ohne allerdings den Familienstand „Frau“ oder „Fräulein“ anzugeben.

Derjenige, dem vorgestellt wird, hat mit dem Entgegenstrecken der Hand solange zu warten, bis der Vermittler beide Namen genannt hat. Die Hand der anderen Person, das gilt insbesondere bei Männern gegenüber Frauen, ist nur solange zu halten, wie es unbedingt erforderlich ist. Herzliche Gefühle soll man nicht durch einen zu kräftigen Händedruck zum Ausdruck bringen, der den anderen veranlaßt, sein Gesicht schmerzlich zu verziehen. Ebensowenig widerspricht es dem guten Geschmack, wenn man die Hand des Vorgestellten lediglich berührt, ohne sie zu drücken. Das wird in allen Ländern, in denen der Händedruck üblich ist, als Zeichen von Unaufrichtigkeit angesehen, zumindest aber so betrachtet, daß einem der Partner keine allzu große Sympathie entgegenbringt. Das Verweigern des Händedrucks durch denjenigen, dem eine andere Person offiziell vorgestellt wird, gilt als Beleidigung und muß auf alle Fälle vermieden werden. Eine Ausnahme können lediglich landesübliche Sitten sein, die anstelle eines Händedrucks irgendeine andere Form vorsehen.

Nicht selten sieht man Personen, die mit theatralischer Geste die Hand drücken, anderen fast den Arm abreißen, minutenlang die Hand des anderen in der eigenen Hand behalten oder den anderen mit steif angewinkeltem Arm von sich abdrücken. All das ist natürlich unpassend und bringt den Partner oftmals in peinliche Verlegenheit.

Der Handschuh wird grundsätzlich ausgezogen

Der Händedruck soll kurz und herzlich sein und in der Regel durch eine leicht angedeutete Verbeugung begleitet werden. Bei Frauen genügt ein leichtes Nicken mit dem Kopf.

Oftmals wird auch die Frage gestellt, ob man beim Händedruck den Handschuh anbehalten soll oder nicht. Grundsätzlich wird bei jeder offiziellen Vorstellung der Handschuh ausgezogen und der Händedruck mit der unbekleideten Hand vorgenommen. Wird die Vorstellung auf der Straße vorgenommen, genügt es, nur den Handschuh der rechten Hand auszuziehen.

Frauen können den Handschuh anbehalten, wenn sie einem Mann zur Begrüßung die Hand reichen. Es empfiehlt sich jedoch, daß auch sie den Handschuh beim Händedruck ablegen. Männer sind grundsätzlich dazu verpflichtet, es sei denn, daß der Händedruck im strengen Winter auf der Straße erfolgt. Der Ranghöhere, vor allem aber Frauen, werden in solchen Fällen dem Partner sagen: „Bitte, behalten Sie den Handschuh an“, wenn dieser den Versuch macht, den Handschuh auszuziehen. Soviel zu dieser Frage.

Was muß man als Gast auf einem Empfang besonders beachten?

Die Teilnahme an einem solchen Empfang ist nur mit schriftlicher Einladung möglich. Ehefrauen dürfen an einem solchen Empfang nur dann teilnehmen, wenn die Einladung auch auf sie ausgedehnt ist. Das ist daraus ersichtlich, daß auf der Einladung neben dem Namen des Mannes der Zusatz steht „mit Gattin“.

Falls in der Einladung nicht ein besonderer Hinweis für die Kleidung angegeben ist, wird bei Empfängen in unserer Republik grundsätzlich der schwarze Anzug getragen. Falls dieser nicht vorhanden ist, kann auch ein dunkler oder gedeckter Anzug getragen werden.

Während der Begrüßung dürfen keine brennenden Zigarren in der Hand gehalten werden

Im Ausland, besonders im nichtsozialistischen Ausland, wird bei großen Empfängen der Smoking oder der Frack getragen. Dies wird in der Einladung jedoch meistens vermerkt. Frauen tragen zu solchen Empfängen ein Abendkleid oder ein Cocktailkleid. Ein schwarzes Kostüm mit weißer Bluse oder auch ein gedecktes Nachmittagskleid sind ebenfalls möglich. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, daß die Kleidung der Ehefrau mit der des Mannes übereinstimmt.

Zu einem großen Empfang hat man stets zehn bis fünfzehn Minuten vor der angegebenen Zeit zu erscheinen. Ein späteres Kommen soll vermieden werden, da sonst wegen der Ankunft der ranghöchsten Gastes uns der Gastgeber eventuell nicht mehr begrüßen kann.

Bevor man als eingeladener Gast den Gastgeber begrüßt, ist zuerst die Garderobe abzulegen. Die Ehefrau begrüßt beim Herangehen an den Gastgeber zuerst, dann der eingeladene Ehemann.

Wenn man den Gastgeber oder seine Vertreter begrüßt, ist jede längere Unterhaltung fehl am Platze. Das ist verständlich, denn ihre Aufmerksamkeit richtet sich während der Zeit auf die Begrüßungszeremonien.

Blumen werden bei einem solchen Empfang nicht überreicht.

Bevor der Gastgeber nicht den ranghöchsten Gast zum Essen aufgefordert hat, darf man sich selbst nicht bedienen. Getränke, die anfangs gereicht werden, dienen in der Regel zum Anstoßen nach der Begrüßungsrede durch den Gastgeber. Man muß deshalb vermeiden, das gereichte Glas bereits vorher vollständig zu leeren. Das Rauchen ist nach der Begrüßung des Gastgebers während des ganzen Empfanges erlaubt. Ich erwähne das nur, um darauf hinzuweisen, daß vor oder während der Begrüßung selbstverstänlcih keine brennenden Zigarren oder Zigaretten in der Hand gehalten werden dürfen.

Der Aufforderung

zum Trinken

wird nachgekommen

Bei großen Empfängen wird nach allen Reden, die gehalten werden, applaudiert. Der Aufforderung zum Trinken wird nachgekommen. Wenn man zum Gastgeber gehört, wird man erst die Gäste zum Essen auffordern und sich erst danach selbst bedienen. Steht man mit Damen zusammen, fragt man sie nach ihren Wünschen und bedient sie. Die Teller sollten durch Speisen nicht überhäuft werden. Als Grundregel gilt, daß man sich bescheiden verhalten soll, ohne sich jedoch zu zieren. Grundsätzlich vermieden werden sollte die Aufforderung an die Gäste, das Glas vollständig zu leeren. Abgesehen davon, daß es zum Beispiel schlecht möglich ist, ein volles Glas Sekt in einem Zug zu leeren, ist es auch unhöflich, die Gäste zu raschem Trinken aufzufordern. Bei einer festlichen Gelegenheit muß jeder Gast selbst beurteilen können, wieviel er von alkoholischen Getränken zu sich nehmen kann. Nicht jeder verträgt die gleiche Menge. Grundsätzlich muß jeder Teilnehmer bei einem solchen Essen beachten, daß er sich vor dem Trinken den Mund mit der Serviette reinigt. Fettränder oder Lippenstift am Rand der Gläser sehen weder schön noch appetitlich aus. Während des Essens darf der Platz am Tisch grundsätzlich nicht verlassen werden. Erst wenn der Mocca an der Tafel gereicht wird, ist dieser Zwang aufgehoben.

Noch einige Worte zum Trinken. Es empfiehlt sich, mäßig zu trinken und dabei stets auf sich zu achten. Starker Alkoholgenuß ist unbedingt zu vermeiden. Wird man zum Trinken genötigt, obwohl man weiß, daß man nicht mehr vertragen kann, wird man stets mit einer Entschuldigung ablehnen. Man ist nicht verpflichtet, in solchen Fällen weiterzutrinken. Das größere Übel ist zweifellos, wenn man durch zu starken Alkoholgenuß die Kontrolle über sich selbst verliert. Spürt man Anzeichen der Trunkenheit, sollte man den Empfang sofort unauffällig verlassen. Sollte man durch einen Vertreter des Protokolls dazu aufgefordert werden, ist dieser Aufforderung unbedingt Folge zu leisten...

Jeder hat das Recht, eine Unterhaltungsgruppe zu verlassen. Falls dies nicht unauffällig möglich ist, entschuldigt man sich. Redewendungen wie “... wir sehen uns sicher noch am heutigen Abend...“ oder “... entschuldigen Sie, ich habe mit Herrn... noch etwas zu besprechen...“ sind dabei ausreichende Entschuldigungen.

Nachdem der ranghöchste Gast den Empfang verlassen hat, ist man verpflichtet, in der nächsten halben Stunde ebenfalls zu gehen, auch wenn es noch so schön ist.

Soviel zum Empfang.

Der Anspruch unserer Bevölkerung auf geschmackvolle Kleidung wächst

Ich möchte mich nun den Fragen der Bekleidung zuwenden.

Jeder von Ihnen kennt den Ausdruck „Kleider machen Leute“. Dieser Grundsatz spielt auch heute noch besonders im kapitalistischen Ausland eine wesentliche Rolle. Die Beurteilung von Menschen im kapitalistischen Ausland erfolgt vielfach noch nach der Kleidung, die von einem Geschäftspartner bzw. einer anderen Person getragen wird. Deshalb ist es notwendig, gerade im Verkehr mit Vertretern aus dem kapitalistischen Ausland auf eine sorgfältige Kleidung zu achten.

Es wäre jedoch falsch, anzunehmen, daß ein ordentlicher Anzug und eine geschmackvolle Kleidung im Verkehr mit Vertretern sozialistischer Länder keine Rolle spielt.

Jedem von Ihnen ist bekannt, daß zu dem im Sozialismus ständig steigenden Lebensstandard der Bevölkerung auch die Pflege einer guten Bekleidungskultur gehört und der Anspruch unserer Bevölkerung auf geschmackvolle Kleidung ständig wächst.

Nicht von ungefähr hat unsere Regierung ein staatliches Institut für Bekleidungskultur geschaffen. Die Frage der Bekleidung, die einzelnen Anzugsarten sowie das Anlegen dieser Kleidung zu bestimmten Tageszeiten und bestimmten Anlässen spielt im internationalen Protokoll eine ganz besondere Rolle.

Worauf sollte man nun beim Kauf und beim Tragen von Bekleidung achten, wenn man oft mit ausländischen Gästen in Verhandlungen, Konferenzen usw. zusammentrifft?

Man sollte sich vor allem den Grundsatz zu eigen machen, sich davor zu hüten, extrem auffällige Kleidung zu tragen. Dazu gehören auch ausgefallene Farben beim Anzug, grellbunt gemusterte Hemden, besonders auffällige Schuhe oder ein besonders auffälliger Anzugsschnitt.

Bei der Auswahl der Kleidung empfiehlt es sich, eine solide Eleganz zu wählen. Darunter verstehe ich zum Beispiel, daß man auf eine gute Qualität des Stoffes, auf einen einwandfreien Sitz des Anzuges und auf die Auswahl geschmackvoller dezenter Farben achtet. Beim Schnitt des Anzuges wird man bei Moderichtungen, die ja bei der Herrenbekleidung nur geringen Schwankungen unterliegen, Vorsicht walten lassen und vermeiden, als Propagandist einer hypermodernen Modelinie zu wirken. Das bedeutet jedoch nicht, daß man einer vernünftigen, sich in der Zwischenzeit durchgesetzten Moderichtung nicht Rechnung tragen soll.

Als wichtigen Hinweis dazu noch: Man sollte darauf achten, daß zwischen allen Kleidungsstücken, die man trägt, eine gewisse Harmonie besteht. Das gilt sowohl für die Herren als auch die Damenkleidung.

Einige Hinweise zur Kleidung unserer Frauen

Aus diesen Hinweisen nun zu schlußfolgern, daß man unbedingt viele Kleidungsstücke besitzen muß, um diese Prinzipien einzuhalten, wäre jedoch vollkommen falsch.

Wenn man bereits beim Einkauf eines Anzuges oder der anderen Bekleidungsstücke sich vorher Gedanken macht, wie sie zusammenpassen, dann kann man diese Grundregeln auch beachten, wenn man nur einen einzigen Anzug und je ein Exemplar der anderen Bekleidungsstücke hat. Sie sehen, daß auch hier eine kleine Planung notwendig ist, um zusätzliche Geldausgaben zu vermeiden. Einige wenige Hinweise auch zur Kleidung unserer Frauen. Die Damenkleidung ist wohl, was man kaum bestreiten kann, weit mehr der Mode unterworfen, als das bei uns Männern der Fall ist. Dennoch sollten jedoch auch Frauen „Modetorheiten“ vermeiden. Auch die Verwendung kosmetischer Mittel ist jeder Kollegin selbst überlassen, wobei jedoch zuviel in keinem Fall gut ist.

Beim Anlegen von Schmuck ist zu empfehlen, etwas vorsichtig zu sein. Unbedingt vermeiden sollte jede Frau, sich mit Schmuck zu überladen.

Bei einem verlobten oder verheirateten Paar ist es notwendig, daß in der Kleidung beider Partner eine bestimmte Abstimmung besteht. Das ist bei offiziellen Anlässen unbedingt erforderlich. Es gilt dabei nach dem internationalen Protokoll der Grundsatz, daß sich die Dame nach dem Anzug des männlichen Partners richten muß.

Auch für eine alleinstehende Frau ist es notwendig, ihre Kleidung der vorgeschriebenen Herrenbekleidung anzupassen.

Ist man übersättigt,

kann man einen Gang auslassen

Sobald man mit anderen Personen gemeinsam ißt, ist es erforderlich, über die üblichen Tischsitten informiert zu sein, um sie entsprechend anwenden zu können. Das trifft besonders bei kleinen offiziellen Essen zu.

Beim Essen werden die Besteckteile von außen nach innen benutzt. Wenn alle am Tisch Platz genommen haben, beginnt man, um die Zeit bis zum Servieren zu überbrücken, mit seinem Nachbarn ein Gespräch.

Sind die Kognakgläser bereits gefüllt, darf noch nicht getrunken werden.

Wenn mit dem Servieren begonnen wird, nimmt man die Leinenserviette vom Teller und legt sie halbgefaltet auf den Schoß. Dort bleibt sie bis zum Ende des Essens liegen. Wird das Essen unterbrochen oder ist es beendet, wird die Serviette leicht gefaltet links neben den Teller gelegt. Das Einstecken der Serviette in das Jackett oder sonstige Arten der Befestigung sind nicht erlaubt.

Können aufgelegte Speisen nicht verzehrt werden, läßt man sie auf dem Teller liegen. Ist man übersättigt, kann man auch einen Gang auslassen. Mit dem Essen beginnt man erst, wenn der Gastgeber unter gleichzeitiger Aufforderung an den ranghöchsten Gast zu essen beginnt. Bevor dies geschehen ist, unterläßt man es auch, das eigene Besteck oder das gefüllte Glas anzufassen.

Wie die Speisen

gegessen werden

Nun einige Darlegungen, wie die einzelnen Speisen gegessen werden.

Suppen werden entweder aus Tellern oder aus Tassen gegessen. Das Schlürfen ist nicht gestattet. Ist die Suppe zu heiß, wartet man etwas, bis sie abgekühlt ist.

Bei klarer Brühe, die schwer abkühlt, kann man diese langsam mit dem Löffel umrühren, um das Abkühlen zu beschleunigen. Das Pusten der Suppe auf dem Suppenlöffel soll man unterlassen. Suppenreste sammelt man durch leichtes Anheben des Tellers auf der einen Seite, und zwar in der zum Körper entgegengesetzten Richtung. Korrekter ist es jedoch, geringfügige Reste, die in der Vertiefung des Tellers in der Mitte verbleiben, zurückzulassen.

Würstchen braucht man sich nicht zu zieren, mit der Hand zu essen.

Kartoffeln werden nicht geschnitten, sondern mit der Gabel zerkleinert. Zerdrücken sollte man die Kartoffeln jedoch nicht. Auch Klöße werden mit der Gabel zerteilt.

Spargel hat man früher mit der rechten Hand erfaßt, und mit Unterstützung der Gabel wurde der Kopf zum Munde geführt und abgebissen. Die holzigen Enden werden auf den Tellerrand gelegt. Diese Form kann jedoch als veraltet betrachtet werden. Es empfiehlt sich, den Stangenspargel in der Mitte durchzuschneiden und die Hälften mit der Gabel zu essen.

Kaviar ißt man mit der Vorspeisengabel in der Regel zu Toast. Den Toast beschmiert (bestreicht! d.L.) man ganz oder teilweise mit Butter und beißt die einzelnen Stücke ab. Der Kaviar wird, nachdem man ihn mit Zitrone beträufelt hat, mit der Gabel dazugegessen. Man kann auch mundgerechte Stücke abbrechen, mit Butter beschmieren (...) und etwas Kaviar mit der eigenen Gabel auflegen. Die Stücke werden dann mit der linken Hand zum Mund geführt, die Gabel wird dabei nicht benutzt.

Äpfel und Birnen werden mit dem Obstmesser in vier Teile zerlegt. Zu diesem Zweck nimmt man die Frucht in die linke Hand. Die einzelnen Teile sticht man mit der Gabel auf, entfernt das Gehäuse und die Schale mit dem Messer und legt sie auf den Teller zurück. Dort werden sie in kleine Teile geschnitten und mit der Obstgabel gegessen. Es ist jedoch auch zulässig, daß man die einzelnen Viertel mit der linken Hand hält und Stücke davon abbeißt.

Pfirsiche werden mit dem Messer halbiert, der Kern entfernt und die halbe Frucht auf die Gabel genommen und die Schale abgezogen. Die zerkleinerten Stücke werden mit der Gabel gegessen. Auch hier ist das Essen der halbierten Frucht mit der linken Hand zulässig.

Bananen löst man

aus der Schale

Bananen löst man aus der Schale, indem man die Spitze einschneidet und die Schalenstücke abzieht. Die entschalte Frucht wird auf den Teller gelegt, zerschnitten und mit der Gabel gegessen.

Apfelsinen werden kreuzweise eingeschnitten, mit der Hand abgeschält, die weiße Haut mit dem Messer entfernt und mit der Hand in Stücke geteilt. Die Stücke werden entweder mit der Hand oder Messer und Gabel gegessen, wobei man vorher mit einem leichten Einschnitt die Kerne auf den Teller herausdrückt.

Kirschen und Weintrauben werden mit dem Stiel serviert. Man löst sie mit den Fingern vom Stiel ab und führt sie zum Mund. Ablösen der Frucht vom Stiel direkt mit dem Mund ist nicht richtig. Kerne und Schalen werden vom Mund in die Hand gegeben und auf den Tellerrand gelegt. Erdbeeren und Johannisbeeren werden direkt mit den Lippen vom Stiel gelöst.

Salate schneidet man nicht mit dem Messer, sondern ißt sie nur mit der Gabel, wobei man allerdings das Messer zum Aufschieben benutzen kann.

Melonen und Ananas die in Scheiben serviert werden, ißt man mit dem Obstbesteck oder einem kleinen Löffel und einer Gabel. Der kleine Löffel wird dabei zum Teilen der Frucht, die Gabel zum Essen benutzt.

Trockengebäck wird abgebissen oder in mundgerechte Stücke gebrochen und mit der Hand verzehrt.

Torte ißt man mit einer speziellen Torten- oder Kuchengabel.

Kuchenstücke, zum Beispiel Streuselkuchen, werden in die Hand genommen und davon abgebissen.

Konfekt und Petitfours faßt man mit der Papierhülle und führt sie so zum Mund. Würfelzucker wird mit der Zuckerzange oder dem Zuckerlöffel genommen. Ist keine Zuckerzange oder ein spezieller Zuckerlöffel vorhanden, entnimmt man den Zucker mit den Fingern. Der eigene Teelöffel hat in dem Zuckerbehälter nichts zu suchen.

Die Beseitigung des Schadens überläßt man dem Bedienungspersonal

Heruntergefallenes Besteck wird nicht aufgehoben. Dies überläßt man dem Bedienungspersonal, das gleichzeitig für Ersatz sorgt. Hat man versehentlich ein falsches Besteck benutzt, legt man unauffällig das richtige mit auf den Teller, um es mitabräumen zu lassen. Aufmerksames Bedienungspersonal ersetzt die zu einem anderen Gang gehörenden benutzten Besteckteile von selbst. Stößt man versehentlich ein Glas um oder passiert ein anderes Mißgeschick, wird man sich höflich, jedoch nicht langatmig entschuldigen. Die Beseitigung des Schadens überläßt man dem Bedienungspersonal und beteiligt sich selbst nicht daran. Das bedeutet jedoch nicht, daß man es unterlassen soll, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit der Schaden behoben wird.

Ist der Gebrauch bestimmter Bestecke nicht bekannt, oder hegt man Zweifel, wie das eine oder andere Gericht gegessen wird, sollte man mit dem Beginn des Essen etwas warten, um sich erst davon überzeugen, wie die anderen essen.

Soviel also zu den wichtigsten Regeln am Tisch bei offiziellen Essen.