Der Kaffee-Export wird vorerst nicht privatisiert

■ An die nicaraguanische Gesellschaft Encafe will die Chamorro-Regierung derzeit noch keine Hand anlegen / Lizenzen für Vermarktungsstellen möglich Ehemalige Grundbesitzer erheben Anspruch auf Kaffee-Fincas in der Region Matagalpa / Der Eigentümer von La Paz del Tuma hat sich noch nicht gemeldet

Aus Managua Ralf Leonhard

„Bis jetzt hat sich überhaupt nichts verändert.“ Mit dieser kategorischen Stellungnahme zerstreut Armando Jarquin, der Direktor der staatli chen Kaffeevermarktungsgesellschaft Encafe, die Befürchtungen, daß nach der Amtsübernahme der konservativen Chamorro-Regierung alle Wirtschaftsbereiche sofort in private Hand übergeleitet würden.

Mit der Verstaatlichung des Außenhandels nach der Machtübernahme der Revolutionsregierung 1979 wurden eine Reihe von zentralen Unternehmen für den Einkauf und den Export der wichtigsten Rohstoffe Nicaraguas zuständig: vor allem für Baumwolle, Zucker, Kaffee und Rindfleisch. Encafe gehört zu den erfolgreichsten. Dieser Tatsache trug sogar die neue Regierung Rechnung, die darauf verzichtete, Armando Jarquin gegen einen strammen Anhänger der neuen Garde auszutauschen, als ansonsten reihenweise sandinistische Funktionäre entlassen wurden.

Nur zehn Prozent

sind Großbetriebe

Wir haben das Geschäft modernisiert und professionalisiert“, erklärt Jarquin. Auf seinem Schreibtisch steht ein Computerterminal, auf dem er jede Schwankung des Weltmarktpreises an den Börsen beobachten kann. „So gut wie wir können die privaten Kaffeebauern gar nicht operieren“, freut sich der erfahrene Exportmanager. Deswegen gebe es von seiten der Kaffeeproduzenten kaum Druck zugunsten der Öffnung des Exportmarktes.

Zwar befinden sich 80 Prozent der mit Kaffee bebauten Fläche in privater Hand, doch kann man kaum mehr als zehn Prozent davon als Großbetriebe bezeichnen. Als Großproduzent gilt in Nicaragua jemand, der mehr als 1.000 Zentner (zu 48 Kilogramm) jährlich auf den Markt bringt. Die große Masse der privaten 26.000 Kaffeebauern Nicaraguas erntet jedoch nur zwischen 15 und 500 Zentner.

Jarquin vermutet, daß sich die Großproduzenten, die dem konservativen Unternehmerverband Cosep angehören, früher oder später organisieren werden, um selbst zu exportieren. Doch gehe es dabei eher um die Freiheit zu entscheiden, wem verkauft wird, als um den Preis. Jarquin hält sich nämlich zugute, daß Nicaragua in den letzten Jahren einen besseren Preis für seine aromatischen Bohnen aushandeln konnte als die Exporteure in den zentralamerikanischen Nachbarstaaten oder auch die Nicaraguaner während der Somoza-Zeit. Die Privatisierung, eines der großen Wahlversprechen Violeta Chamorros, wird wohl einerseits bei den staatlichen Plantagen, andererseits im Zwischenhandel einsetzen.

Mit dem Dekret 10-90 wurde allen ehemaligen Grundbesitzern, die glauben, daß sie zu Unrecht enteignet wurden, die Möglichkeit eröffnet, ihre Liegenschaften vorerst zu pachten, bis eine Kommission über die Gültigkeit des Anspruchs entscheidet. Dies trifft auch auf einige Kaffee -Fincas in der Kaffeeregion Matagalpa/Jinotega zu.

Die 73 Vermarktungsstellen, die in allen Anbaugebieten des nördlichen und südlichen Berglandes sowie im Exporthafen Corinto für den Aufkauf der Ernten sorgen, funktionieren derzeit als Dependencen von Encafe. Armando Jarquin kann sich vorstellen, daß Lizenzen an Privathändler erteilt werden, die ihrerseits an Encafe verkaufen.

Die Privatisierung auf oberster Ebene wurde zumindest vorbereitet: Mit dem Dekret 7-90 schuf Violeta Chamorro am 2.Mai, also kaum eine Woche nach ihrer Amtsübernahme, eine Kommission, die die verstaatlichten Betriebe koordiniert. Die Kommission ist der Präsidentenkanzlei unterstellt und wird vom deutschstämmigen Vizeminister Erwin Krüger geleitet.

Die vorwiegend aus Technokraten und Wirtschaftsprofessoren zusammengesetzte Regierung ist mit den Schlagworten Freiheit und Privatisierung angetreten. „Jede Veränderung muß jedoch schrittweise und nach eingehenden Studien vollzogen werden“, meint Jarquin, vor allem in einem Bereich von strategischer Bedeutung. Mit der Kaffeeausfuhr erwirtschaftete Nicaragua im Vorjahr immerhin 99 Millionen US-Dollar, das ist mehr als ein Drittel der gesamten Exporteinnahmen. Vor dem Einbruch der Weltmarktpreise vor einem Jahr, als die Quotenregelung der internationalen Kaffeeorganisation aufgehoben wurde, war es noch mehr. Die Verluste durch den Preisverfall von rund 120 Dollar pro Sack auf derzeit knapp über 90 werden für Nicaragua auf 30 bis 40 Millionen Dollar geschätzt. Das Land muß durch erhöhte Produktion wettmachen, was durch die Preissenkung verloren geht. Kaffeebauern, die mehr abliefern als ihre durchschnittliche Produktion der letzten drei Jahre, haben Anspruch auf finanzielle Anreize in US -Dollars.

Für solidarische Kaffeevermarkter in Europa stellt sich nach dem Ende der sandinistischen Revolution erneut die Frage: Wem kommt der Überpreis zugute, den wir unseren Kunden abverlangen? Den nicaraguanischen Staat der Unternehmer und Großgrundbesitzer wollen die Kunden nicht unterstützen. Armando Jarquin weiß Rat: Der Überpreis kann, wie schon bisher, gezielt an ausgewählte Projekte überwiesen werden. Eine ausdrückliche Anweisung an die nicaraguanische Zentralbank müßte genügen, um die Gelder an förderungswürdige Genossenschaften oder Biobauern zu kanalisieren, ein Verfahren, daß auch die Gruppen anstreben und teilweise bereits praktizieren.

Fraglich ist nur, ob bei einer möglichen Verknappung des Angebots die alternativen Kleinabnehmer noch voll zum Zuge kommen. Fraglich ist auch noch, ob die bisher geförderten Projekte in der bisherigen Form überleben werden. Die Staatsfarm La Paz del Tuma, ein Musterbetrieb, der von solidarischen Kaffeevermarktern, wie Mitka, Gepa und Eza gesponsert wurde, ist vom Landwirtschaftsministerium zur Privatisierung freigegeben worden. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Arbeiter sind nämlich entschlossen, „ihren“ Betrieb zu verteidigen. Außerdem ist der ehemalige Eigentümer noch gar nicht aufgetaucht.

Informationen über die im einzelnen unterschiedliche Verwendung der Spenden aus dem hiesigen Verkauf von Soli -Kaffee sind den Aufklebern auf den Kaffeepackungen und den Flugblättern zu entnehmen, die in den Verkaufsstellen ausliegen.