Regierung der Türkei unterliegt im Parlament

Istanbul (taz) - Der Versuch der türkischen Regierung, vom Parlament eine uneingeschränkte Vollmacht für den Einsatz des Militärs im Rahmen des Konflikts mit dem Irak zu erhalten, ist gescheitert. Ein entsprechender Entwurf der Regierung mußte in letzter Minute geändert werden, weil ihn selbst Mitglieder der regierenden Mutterlandspartei nicht unterstützten. Der von der Nationalversammlung verabschiedete Text erteilt der Regierung nur die Erlaubnis, „im Falle einer plötzlichen Aggression“ den Krieg zu erklären, militärisch zu antworten und befreundete ausländische Truppen in der Türkei zu stationieren. An der Abstimmung nahmen nur 373 von 450 Abgeordneten teil. 216 votierten dafür, 151 Abgeordnete der Oppositionsparteien dagegen. 59 Abgeordnete des liberalen Flügels der Mutterlandspartei nahmen nicht an der Abstimmung teil.

Nach der Entscheidung kann die Regierung nicht eigenmächtig an einer multinationalen Eingreiftruppe gegen den Irak teilnehmen oder den USA eine Erlaubnis zur Nutzung der Stützpunkte erteilen - es sei denn, der Irak greift die Türkei an.

Die Entscheidung des Parlaments ist eine Schlappe für Staatspräsident Özal, der seit Beginn des Konfliktes faktisch allein den türkischen Kurs bestimmte. Nach einer Reihe von Telefongesprächen mit US-Präsident Bush, dem ägyptischen Präsident Mubarak und dem saudischen König Fahd nahm Özal zunehmend eine prowestliche Position ein. Die Türkei war eines der ersten Länder, die sich dem Embargobeschluß des Sicherheitsrates anschlossen. Der nicht -öffentlichen Sitzung waren öffentliche parlamentarische Beratungen über den Golfkonflikt vorausgegangen. Die Oppositionsparteien hatten eine außerordentliche Sitzung der Nationalversammlung beantragt, weil - begünstigt durch die parlamentarische Sommerpause - Staatspräsident Özal die Rolle des Parlaments in dem Konflikt zur Bedeutungslosigkeit degradiert hatte. Der Vorsitzende der „Sozialdemokratischen Volkspartei“, Erdal Inönü, kritisierte, die Türkei habe sich voreilig in die antiirakische Front eingereiht. „Glaubt Özal etwa, wenn wir eine entscheidende Rolle spielen, um die Unabhängigkeit Kuwaits wiederherzustellen, würden wir in Kürze in die EG aufgenommen? Wir dürfen nicht Feindschaft zu Menschen aufbauen, die seit Jahren unsere Nachbarn sind, bloß um die Gunst der USA und des Westens zu ergattern. Das bedeutet nicht, daß wir den Irak unterstützen. Doch die Herrschenden kommen und gehen, die Völker bleiben.“ Auch der konservative Oppositionsführer Demirel warnte vor einer militärischen Auseinandersetzung.

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