Golfkrise belastet Osteuropa

■ Kuwaitkrise kommt Polen teuer zu stehen / Boykott nur mit zusammengebissenen Zähnen

Warschau/Wien (taz/afp) - Die Krise am Golf bringt die osteuropäischen Länder in eine schwierige wirtschaftliche Situation. Auf der einen Seite trifft die Krise den Handel mit Irak, wohin Osteuropa hauptsächlich Waffen lieferte. Zum anderen sind die Staaten durch die Reduzierung der sowjetischen Öllieferungen gezwungen, ihre Ölimporte zu den stark angestiegenen Weltmarktpreisen zu bezahlen, was für manche finanziell unmöglich zu werden droht.

Die CSFR rangierte 1989 bei schweren Waffenlieferungen an den Irak weltweit an sechster Stelle. Auch für Bulgarien war der Golfstaat ein exzellenter Kunde. Polen lieferte 1989 Waffen im Wert von 100 Millionen Dollar auf Kredit und sollte als Gegenleistung eine Million Tonnen Öl pro Jahr erhalten.

Der jährliche Handel zwischen Prag und Bagdad belief sich auf 53 Millionen Dollar, der mit Budapest auf 26 Millionen. Anfang der achtziger Jahre hatte er noch bei 300 Millionen Dollar gelegen. Das Ausmaß der früheren Handelsbeziehungen zwischen dem Irak und den osteuropäischen Staaten zeigt sich in dem Schuldenberg Bagdads deswegen deutlicher: 2,5 Milliarden Rubel Schulden an die Sowjetunion, 1,3 Milliarden an Bulgarien, 500 Millionen an Polen und 145 Millionen an Ungarn. Diese Zahlen wurden in den letzten Tagen in der Presse veröffentlicht. Alle Schulden sollten per Öllieferungen beglichen werden. Doch nun hat das am Montag einstimmig angenommene UNO-Handelsembargo den irakischen Ölhahn für alle UNO-Mitgliedstaaten zugedreht.

Bisher war der Irak der größte Abnehmer für die polnische Rüstungsproduktion. In den letzten Jahren gingen nicht nur T -54- und T-72-Kampfpanzer aus Polen in den Irak, sondern auch gepanzerte Mannschaftswagen, logistische Ausrüstung und Haubitzen, Panzerabwehrraketen und Maschinengewehre.

Als der Irak infolge des Golfkrieges nicht mehr flüssig war, wurde gegen Kredit geliefert, den der Irak mit Öl abzahlen sollte. Öl war denn auch in den letzten Jahren das einzige Importgut aus dem Irak. Doch kaum sollten die ersten Barrels zur Schuldentilgung geliefert werden, kam die Kuwaitkrise. Nach der Ölpreissteigerung müßte ohnehin viel weniger Öl geliefert werden zur Begleichung der 500 Millionen Dollar Schulden. Offen ist auch, ob der Irak Polen nicht zu Feindesland erklärt wegen der von Polen verhängten Sanktionen - und sich seine Schulden einfach selbst erläßt.

Seit die Zollbehörden erklärt haben, daß sie keinerlei Lieferungen in den Irak und nach Kuwait mehr abfertigen, ist Polens Wirtschaft ohnehin in die Bredouille geraten. Polnische Firmen bauen im Irak unter anderem Straßen für 50 Millionen Dollar. Innerhalb eines internationalen Konsortiums beteiligt sich die polnische Firma Dromex an der Ausschreibung für eine Umgehungsstraße für Bagdad, die bis zur kuwaitischen Grenze gehen soll. Die Krise kam dem Ausschreibungsende nur um Tage zuvor.

250 Millionen Dollar werde Polen durch die Sanktionen in diesem Jahr einbüßen, schätzen Fachleute, dabei sind 150 Millionen an Ölabzahlungen für Waffenlieferungen nicht mitgerechnet. Denn immerhin machen Bauarbeiten nach offiziellen Statistiken 17 Prozent des polnischen Exports in den Irak aus.

Etwa 3.000 Spezialisten aus Polen arbeiteten bis zur Krise im Irak, einige hundert in Kuwait. Sie seien zwar ausreichend versorgt und in Kontakt mit den diplomatischen Vertretungen Polens, doch eine Ausreisegenehmigung haben sie noch nicht erhalten. Polens Diplomaten können aufgrund der unterbrochenen Kommunikation nicht einmal zuhause anrufen oder das Außenministerium erreichen. Zuletzt gelang ihnen das über die Funkanlage eines in Kuwait liegenden polnischen Schiffes.

Ein delikates Detail hat das Lamento über die Sanktionsfolgen ganz nebenbei zutage gefördert: Die offiziellen Statistiken über den Außenhandel zwischen Polen und dem Irak wurden offenbar jahrelang „zurechtgebogen“, sie passen absolut nicht zu denen der 'Gazeta Wyborcza‘, die sich auf „sichere regierungsnahe Quellen“ beruft. Die Regierung hat die Angaben der Zeitung auch bisher nicht dementiert.

Klaus Bachmann /ewe