Diplomatie im Polit-Strudel

■ Von der Spree auf diplomatischen Kanälen Richtung Bonn / Den Botschaften Nordkoreas und Kambodschas in der DDR droht der Verlust der Beziehungen zum einigen Deutschland

Von Ronald Bahlburg

Berlin (dpa) - Das Staatsschiff DDR wird nicht ohne außenpolitische Strudel untergehen. Dabei droht es die Botschaften der früheren „Bruderländer“ Nordkorea und Kambodscha in seinen Sog zu ziehen, die bisher nur zu Ost -Berlin, aber nicht zu Bonn diplomatische Beziehungen unterhielten. Beide haben freilich Rettungsanker in Richtung Rhein ausgeworfen, um die Kontakte auch zu einem vereinigten Deutschland nicht abreißen zu lassen.

Nach dem Verlust eines wichtigen Bundesgenossen im Kampf gegen Imperialismus und Neokolonialismus, als der sich Ost -Berlin besonders seit Aufnahme in die UNO 1973 gern empfahl, lassen die Koreaner und Kambodschaner keinen Zweifel aufkommen, wie sehr sie die Fortsetzung der Außenbeziehungen wünschen.

„Wir haben noch nie daran gedacht, daß die Verbindungen zwischen uns und Deutschland einmal gekappt werden könnten“, beteuert der nordkoreanische Botschaftsrat Song Tschun Gun. Bereits am 6. November 1949, einen Monat nach Gründung der DDR, hatte Phongjang eine diplomatische Mission in dem neuen Staatsgebilde eröffnet. Das Verhältnis zwischen dem 20 Millionen Einwohner zählenden Nordkorea und der DDR habe immer eine „besondere Bedeutung“ gehabt, erklärt Gun, an dessen Jackenaufschlag eine Anstecknadel mit Nationalflagge und dem Konterfei des vergöttlichten Staatsführers Kim Il Sung prangt. Dies lag gewiß auch an dem gemeinsamen Schicksal der Teilung, die in Korea am 38. Breitengrad selbst nach vier Jahrzehnten kaum etwas von ihren unmenschlichen Zügen verloren hat. Allerdings stand das kommunistische Nordkorea gerade in dieser Frage der Bundesrepublik immer sehr viel näher als der DDR: Zutiefst vom Fortbestand einer einheitlichen Nation überzeugt, konnte das von Ost-Berlin proklamierte Prinzip der Zweistaatlichkeit für Kim Il Sungs Regime nie ein Modell sein.

Schmerzlicher als für Nordkorea wäre die Einstellung der diplomatischen Beziehungen für das Dritte-Welt-Land Kambodscha. Nachdem es bereits 1969 die damals noch recht isolierte DDR anerkannt hatte, revanchierte sich Ost-Berlin zehn Jahre später, als es gemeinsam mit den übrigen Ostblockstaaten zu der von Vietnam installierten „Volksrepublik Kampuchea“ unter Heng Samrin diplomatische Beziehungen aufnahm. Die westlichen und meisten asiatischen Staaten akzeptieren dagegen wie die UNO bis heute die Nachfolgeregierung des blutrünstigen Pol-Pot-Regimes, die seit über zehn Jahren einen Dschungelkrieg gegen Phnom Penh führt. Nach Angaben von Botschaftssekretär Ok Veth gibt es derzeit in der Hauptstadt nur rund zehn ausländische Botschaften.

Wenn es um die Zukunft ihrer Bindungen zu Deutschland geht, stochern Koreaner und Kambodschaner derzeit gleichermaßen im Nebel. Ein Bonner Diplomat, der eine Zeitlang Berater im DDR -Außenministerium war, erklärte jüngst in einem Zeitungsinterview die „außenpolitische Existenz“ der DDR für beendet. Das Ressort von Markus Meckel könne eigentlich nur noch „abwickeln“. Die meisten Staaten behandelten inzwischen die DDR betreffende Fragen mit der Bundesrepublik. So ist denn auch infolge des rasanten Vereinigungstempos bisher nichts aus der im Frühjahr beabsichtigten Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Südkorea und Israel geworden. Zwar laufen nach Auskunft des DDR-Außenministeriums die Verhandlungen mit Jerusalem weiter, aber wird ein Abschluß kaum mehr lohnen.

Das Bonner Auswärtige Amt hält sich derweil bedeckt. Nur der Fall der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) sei klar, meinte ein Sprecher auf Anfrage. Da die Bundesregierung sie nicht als Regierung eines Staats anerkennt, wird ihre seit 1981 bestehende Botschaft schließen müssen. Das Verhältnis zu den asiatischen Staaten werde geprüft und womöglich noch rechtzeitig zum Beitrittstermin geregelt.

Trotz der Ungewißheit geben sich die Asiaten optimistisch. Der Kambodschaner Veth sieht die rot-blaue Landesflagge mit der Silhouette des alten Khmer-Königstempels Angkor Vat auch nach Herstellung der deutschen Einheit vor seinem bescheidenen, rot-gekacheltem Domizil in Pankow wehen. Erst im Juli habe Vizeaußenminister Hun Sen Gespräche in Bonn geführt. „Ideologie spielt in diplomatischen Beziehungen keine Rolle“, leugnet Botschaftsrat Gun alte Gegensätze. „Über verschiedene diplomatische Kanäle ist der Wille zur Zusammenarbeit signalisiert worden.“ Traditionelle Beziehungen Bonns zu Südkorea seien für sein Land kein Hindernis für ein gutes Verhältnis zu Gesamtdeutschland. Denkbar sei eine größere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Für eine Übergangsphase vielleicht mit dem wuchtigen Botschaftsgebäude in Berlin-Mitte als bloße Handelsvertretung.